Çocuklar için almanca hikayeler

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Der Eisbär, der die Sonne liebte.
Ein kleiner Eisbär lebte zu einer Zeit, als es noch keine Menschen gab, an der Küste Russlands, wo das Land fast an Finnland grenzt. Aber er lebte nicht auf dem Land, sondern darüber, hoch oben im Himmel. Dort war seine zweite Heimat. Wenn die Sonne schien, genoss er ihre Strahlen und faulenzte genussvoll.

Eines Tages aber verschwand die Sonne plötzlich, ohne dass es sich vorher angekündigt hatte. Darüber war der kleine Eisbär überaus wütend, denn es wurde plötzlich kalt und dunkel im Himmel. Der weiße Geselle wurde ganz griesgrämig. Doch als er sah, dass die Sonne auf der Erde noch schien, beschloss er hinabzusteigen. "Ich bin gekommen um mir die Sonne zu holen", sagte er zu den anderen Tieren. "Wir geben sie dir nicht", sagte der Fuchs und zitterte vor Schreck. "Ohne Sonne herrschen wieder Finsternis und Kälte auf der Erde." "Dafür ist es jetzt im Himmel dunkel und kalt", brummte der Eisbär.

Die Tiere beschlossen, sich zu beraten. Die Konferenz dauerte tagelang, doch sie wurden sich nicht einig. Am achten Tag meldete sich der kluge Rabe zu Wort: "Wir alle, Brüder und Schwestern, brauchen die Sonne, auch der kleine Eisbär. Ich schlage vor, dass die Sonne den Sommer über bei uns bleibt. In der zweiten Hälfte des Jahres soll sie im Himmel wohnen. In dieser Zeit ist sowieso Winter bei uns und viele Tiere halten den Winterschlaf. So wäre es gerecht." Und so wurde es auch beschlossen.

Seit dieser Zeit dauert im fernen Norden der Tag einen ganzen Sommer und die Nacht einen ganzen Winter lang. Der Eisbär überlegte nicht lange und zog zu den andern Tieren auf die Erde hinab, dorthin, wo Russlands Küste fast an Finnland stößt. Im Winter, wenn die Sonne im Himmel war, hielt er seinen Winterschlaf. Da brauchte er die Sonne nicht. Im Sommer war die Sonne auf der Erde, wo er faulenzte und mit ihren Strahlen spielte, die ihn in der Nase kitzelten.
 
Die Königstochter und die Gänse
Es war einmal eine Königin mit fünf Kindern - vier Söhnen und einer Tochter. Eines Tages wurde die Königin sehr krank und nur das Wasser einer Quelle im Wald würde sie genesen lassen. Zuerst machte sich der älteste Königssohn auf den Weg, das Wasser zu holen, doch schon bald stolperte er und sein Wasserkrug zerbrach.

Nach und nach erging es leider allen vier Prinzen gleich und keinem gelang es, der Mutter das heilende Wasser zu bringen. Da rief die Königin im Zorn: "Geist, verwandle diese bösen Kinder in Gänse!" Kaum hatte sie diesen Fluch ausgesprochen, verwandelten sich ihre Söhne in Gänse und flogen davon.

Die Tochter der Königin fragte ihre Mutter immer wieder nach ihren Brüdern, bis die Königin ihr von dem Fluch erzählte. Sofort machte sich die Prinzessin auf, ihre Brüder zu suchen.

Erst nach vielen Jahren erblickte die Königstochter ihre Gänsebrüder und brach in Tränen aus: "Meine lieben Brüder! Ich will alles tun, um euch zu erlösen!" "Vier Jahre musst du umherirren und darfst kein Sterbenswort sprechen, dann sind wir erlöst", sprachen die Brüder.

Als die Prinzessin wieder in den Wald gelaufen war, traf sie auf einen Königssohn, der gerade auf der Jagd war. Er staunte, als er die wunderschöne Königstochter erblickte. Doch gleich in welcher Sprache er fragte, sie antwortete nicht. Der Prinz nahm sie zu sich und machte sie zu seiner Gemahlin. Obwohl die Prinzessin nie sprach, lebten beide glücklich zusammen. Als der Königssohn in den Krieg ziehen musste, blieb die Prinzessin mit der alten, bösen Stiefmutter des Prinzen in Erwartung ihres ersten Kindes zurück.

Noch in der Geburtsnacht stahl die böse Stiefmutter den kleinen Jungen. Ihrem Sohn schrieb sie, dass seine Gemahlin einen behaarten Hund zur Welt gebracht hätte. Der Königssohn kam zornig heim und ließ die arme, weinende Prinzessin in ein kleines Haus sperren. Da kamen ihre Brüder und riefen: "So wie du uns erlöst hast, helfen wir auch dir!" Die vier Jahre waren um und die Königstochter hatte ihr Wort gehalten.

So erzählte sie ihrem Gemahl unter Tränen, wie sie ihm einen Sohn geboren hatte und was die Stiefmutter ihr angetan hatte. Da ließ der Prinz die böse Stiefmutter in den dunkelsten Kerker werfen, befreite seinen Sohn und lebte fortan mit seiner Familie glücklich zusammen.
 
Das Einhorn und der Löwe
Wenn ein Löwe brüllt, bebt der Boden und die Tiere erzittern. Tummelt sich eine Herde von Springböcken zur Dämmerungszeit am Wasserloch, kommt es nicht selten vor, dass sie von den Beutegierigen eingekreist werden. Kaum stürmen die Löwen los, ist es dann für viele zu spät. Verliert aber ein Löwe sein Rudel, muss er allein auf die Jagd gehen und sein Glück schwindet von Tag zu Tag.

Als ein Löwe so einige Tage ausgehungert umhergeirrt war, kam er zu einem Hügel. "Ausgebrüllt, lieber Löwe! Du scheinst mir vor Hunger so närrisch geworden zu sein, dass du es nicht mehr vermagst, einen winzigen Fuchs aufzuspüren" rief ihm plötzlich ein Einhorn zu. "Dann sollst wohl du meine Mahlzeit sein!", entgegnete der Löwe und knurrte bedrohlich.

Aber das Einhorn hatte sich in einer Felsspalte verkrochen und der schmale Durchgang versperrte dem Löwen den Weg. "Armer Löwe!", sprach das Einhorn ihn mitleidsvoll an. "Ich glaube, für deinen schlimmen Zustand gibt es einen Ausweg, und deshalb lade ich dich zu einem Brettspiel ein. Gewinnst du, gebe ich dir satt zu speisen vom besten Fleisch und danach kannst du des Weges ziehen. Verlierst du aber, bekommst du zwar auch reichlich zu fressen, danach aber dienst du mir deine weiteren Tage."

Der Löwe willigte sogleich ein, schon rasend vor Hunger. Das Einhorn führte ihn mit sich in seine Behausung, bot ihm einen Napf Wasser, holte das Brettspiel, und sobald die Figuren aufgebaut worden waren, begannen die beiden zu spielen. Man konnte sich schon denken, wie alles verlief, denn der ausgehungerte Löwe fand keinen klaren Gedanken mehr. Er freute sich aber trotz allem, denn in jedem Fall winkte ein reichliches Mahl.

Vom Einhorn besiegt, wurde er in eine Kammer geführt, wo ein riesiger Fleischberg aufgetürmt war. Der Löwe fraß und fraß, wurde runder und schwerer, fauler und zahm wie ein Schoßhund, der dem Einhorn stets zu Diensten war. Sogar zum Brüllen fehlten ihm bald die Kräfte. So winselte er bloß noch und blinzelte träge dem Einhorn entgegen. Nach einem Jahr dieser bequemen Gefangenschaft kam der Tag, an dem aus dem Raume des Löwen ein Blöken herausdrang.

Das Einhorn erschrak: "Habe ich ihn denn in meiner törichten Einfalt zum Lamme gemacht? Bald wird der Schweif schrumpfen und Schafswolle wird ihn zieren." Das Einhorn besann sich augenblicks und sprang über den Schatten seiner eigenen Herrschgier. "Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen!", rief das Einhorn. "Vom stattlichen Herrscher der Wüste habe ich dich zum Haustier gemacht!"

Tränen der Reue trübten dem Einhorn den Blick. Verständnislos und mit einem gewaltigem Gähnen stöhnte der Löwe schmählich: "Bitte lass mich bei dir, denn besser kann ich's im Leben gewiss nicht mehr haben."
 
John und das winzige Feenmädchen
Der kleine John sagte immerzu "ICH". Ganz gleich, ob seine Mutter den Kuchen aufschnitt oder Pudding auf den Tisch stellte, John sagte nur "ICH". Nur wenn er ins Bett sollte, sagte er nie "ICH", denn ins Bett wollte er nicht. Als die Mutter ihn einmal schlafen gelegt hatte, kletterte er aus dem Bettchen, stellte sich ans Fenster und schaute hinaus.

Es war dunkel, nur der Mond spendete Licht. Die Vorhänge bewegten sich und im Garten raschelte das Laub. Auf einmal sah der Junge unten bei der Wiese ein kleines Licht und erkannte ein ganz winziges Feenmädchen. "Wer bist denn du?", fragte John. "ICH bin es!", antwortete das Elfenmädchen mit zarter Stimme "Und wer bist du?" "ICH bin es!", antwortete John.

Das Elfenmädchen klatschte in die Hände. "Ich heiße ICH und du heißt auch ICH. Ist das nicht lustig?!" John hieß gar nicht ICH, aber das verriet er ihr nicht. "Willst du mit mir spielen, ICH?", fragte das Elfenmädchen. "Ja, ICH, das will ich gern", antwortete John Das Elfenmädchen fing mit seinen Händen Mondlicht ein und verstreute es im ganzen Zimmer. Es wurden lauter Tiere daraus: Mondkatzen, Mondhunde, Mondpferdchen und sogar Monddrachen, die umherflogen und Feuer spuckten. Das Elfenmädchen und John versuchten die Mondtiere zu fangen. John hopste herum und trat dabei unachtsam der kleinen Fee auf den Fuß. Sie fing an zu weinen und John wollte sie trösten. Da kam aus dem Garten eine Stimme: "Elfenkindchen, warum weinst du?"

"ICH ist mir auf den Fuß getreten, Mami", schluchzte das Feenmädchen. "Wer ist dir auf den Fuß getreten?", fragte die Elfenmutter. "ICH, Mami", weinte das Mädchen noch immer. "Wenn du dir selbst auf den Fuß getreten bist, musst du doch nicht weinen", sagte die Mutter streng, steckte ihre Hände ins Zimmer und nahm das Mädchen mit sich fort. Die Mondtiere verschwanden und John schlief ein. Als am nächsten Abend die Mutter fragte: "Wer ist müde und möchte schlafen?", rief der Junge sofort: "ICH!" Er freute sich auf das kleine Elfenmädchen und so blieb es für alle Zeit.
 
Jorinde und Joringel
Es war einmal ein altes Schloss in einem großen Wald, in dem eine Zauberin lebte. Am Tage verwandelte sie sich in eine Nachteule und des Abends wurde sie wieder zum Menschen. Näherte sich jemand dem Schloss auf hundert Schritte, so erstarrte er, bis sie ihn lossprach. Eine Jungfrau aber verwandelte die Zauberin in einen Vogel, den sie in einem Korb in einer Kammer des Schlosses versteckte.

Es begab sich, dass ein wunderschönes, jungfräuliches Mädchen namens Jorinde mit ihrem Verlobten namens Joringel im Wald einherspazierte. Vor der Mauer des Schlosses erschrak Joringel und warnte seine Liebste: "Hüte dich, dass du nicht zu nahe ans Schloss kommst!" Jorinde aber sang: "Mein Vöglein mit dem Ringlein rot singt Lei-zicküth." Als Joringel sich nach Jorinde umwandte, war sie bereits in eine Nachtigall verwandelt und sang. Eine Nachteule flog um sie herum und verschwand hinter einem Strauch, aus dem gleich darauf eine alte, krumme Frau herauskam und die Nachtigall fing. Fest erstarrt konnte sich Joringel nicht bewegen, bis das alte Weib wiederkam, um ihn zu erlösen. Er fiel vor ihr auf die Knie und flehte sie an, ihm Jorinde wiederzugeben, doch vergebens.

Eines Nachts träumte er von einer blutroten Blume, mit der er seine Jorinde befreien könnte. Des Morgens als er erwachte, begann er die Blume zu suchen. Tatsächlich fand er sie und eilte zum Schloss. Obwohl er auf hundert Schritte dem Schlosse nahe kam, erstarrte er nicht. Kaum berührte er mit der Zauberblume das Tor, sprang es auch schon auf. Drinnen fand er den Saal, in dem die Zauberin die Vögel fütterte.

Als sie Joringel sah, tobte sie böse, spie Gift und Galle, aber durch den Zauber der Blume konnte sie nicht näher an ihn herankommen. Wie sollte Joringel nun unter allen Nachtigallen seine Jorinde wiederfinden? Als er bemerkte, dass die Alte heimlich ein Körbchen wegnahm und zur Türe ging, sprang er flugs hinzu, berührte das Körbchen mit der Blume und die erlöste Jorinde stand vor ihm. Da verwandelte er auch all die anderen Vögel wieder zu Jungfrauen und lebte sehr lange vergnügt mit seiner Jorinde zusammen.
 
Die weiße Flamme
Eine Zigeunertruppe lagerte einmal auf einer weiten, unbewohnten Ebene. Nachdem die Leute gegessen und getrunken hatten, legten sie sich in ihren Zelten nieder und bald hörte man sie in tiefem Schlaf schnarchen. Nur Taru, der ärmste Bursche des ganzen Stammes, schlief nicht. Er war nämlich in Esta, die schöne Tochter des Häuptlings, verliebt, die auch an ihm großen Gefallen fand.

Als aber Taru das Mädchen zur Frau begehrte, sagte der alte Häuptling: "Du bist der ärmste Mann unseres ganzen Stammes. Du bekommst meine Tochter nicht." Dies grämte den armen Burschen sehr. Als er in dieser Nacht im Freien bei den Pferden saß, sah er in seiner Nähe eine weiße Flamme dreimal aufschlagen und wieder verschwinden.

Er holte eine Hacke herbei und begann an der Stelle zu graben. Nach einer Weile stieß er auf eine kleine, eiserne Tür, die er mit großer Anstrengung öffnete, und trat in ein dunkles Zimmer ein. Er tappte im Finstern umher, bis eine gnomenhafte Stimme zu ihm sagte: "Befrei mich von diesen Fesseln und ich werde dich reich machen."

"Sag mir erst, wer du bist und warum du gefesselt worden bist." Die Stimme antwortete: "Ich bin ein Kobold und wohne mit meinen Brüdern hoch oben im Gebirge. Einmal gingen wir auf die Jagd und stahlen dabei den Schatz des Wieselkönigs. Als dies der Wieselkönig bemerkte, lauerte er mir auf und sperrte mich hier ein."

"Wenn sich die Sache so verhält", sagte Taru, "so will ich dir gerne in der Not helfen." Darauf befreite er den kleinen Mann, der vor Freude im Zimmer herumtanzte. Nach einer Weile sagte der Kobold: "Nun muss ich heim, denn bald kommt der Wieselkönig zurück. Nimm diesen Ring und stecke ihn an den mittleren Finger deiner linken Hand. Wenn du dir Gold wünschst, drehe ihn einmal von links nach rechts und du wirst jedes Mal einen Dukaten in der Hand finden."

Darauf gab der Kobold dem Burschen den Zauberring und zog davon. Taru aber ging in sein Zelt und drehte den Ring so oft, dass er dem Häuptling in der Früh einen großen Haufen Dukaten für seine schöne Tochter Esta geben konnte, die er sogleich zur Frau bekam und die mit ihm viele Jahre glücklich lebte.
 
Vom flinken Schuhwichtel
"Nun sagt mir, Emma", sprach Herr Finn zu Emma Rees, als er ihr eines Tages auf der Straße begegnete, "habt ihr je etwas von einem Schuhwichtel gehört?" "Von einem Schuhwichtel? Das mein' ich, und mehr als einmal. Wie oft habe ich meinen Vater davon erzählen hören!" "Aber habt ihr selbst niemals einen gesehen?" "Nein, ich selbst mein Lebtag nicht. Aber mein Großvater, der hat einmal einen gesehen, sogar in den Händen gehabt." "In den Händen! Emma, das müsst ihr mir erzählen!" "Gerne will ich das tun.

Mein Großvater war draußen im Moor gewesen und hatte Torf heimgefahren. Sein armer, alter Gaul war müde davon und Großvater ging in den Stall, um zu sehen, ob er sein Futter gefressen hatte. Als er zu der Stalltüre kam, hörte er etwas hämmern, so als wenn ein Schuster Schuhe macht. Mein Großvater dachte gleich an einen Schuhwichtel und sagte: "Wenn möglich, fange ich ihn und habe dadurch genug Geld bis an mein Lebensende."

Sachte öffnete er die Tür und schaute sich überall um. Es war aber nichts zu sehen und doch hörte er, wie es hämmerte und pfiff, bis er den kleinen Gesellen entdeckte. Der hatte ein kleines Schürzfell um, den Hammer in der Hand und eine kleine rote Nachtmütze auf dem Kopf. Der Wichtel war so damit beschäftigt einen Schuh zu machen, dass er meinen Großvater gar nicht bemerkte, bis dieser ihn fest mit der Hand packte. "Jetzt habe ich euch und lasse nicht eher los, bis ich euren Geldbeutel habe!" "Halt, halt", entgegnete der Schuhwichtel. "ich will ihn holen!" Mein Großvater, der Narr, öffnete seine Hand und der Kleine hüpfte lachend fort.

Er sah ihn niemals wieder. Nur den kleinen Schuh hatte der Schuhwichtel zurückgelassen. Mein Großvater war überaus ärgerlich auf sich selbst, dass er den Wichtel hatte entschlüpfen lassen. Den Schuh aber behielt er so lange er lebte und meine Mutter erzählte mir, dass es der niedlichste Schuh gewesen sei, den ihre Augen jemals erblickt hätten."
 
Wingo
Früher, als es auf der Erde noch keine Flüsse gab und das einzige Wasser, das die Menschen kannten, vom Himmel fiel, machte sich irgendwann ein kleiner Junge auf, um die Quellen des Wassers zu suchen. Irgendwo in der Erde versickerte das Regenwasser und das Kind wollte wissen, wo es sich verbarg. Tagelang ging es durch den Wald, bis es völlig erschöpft von seiner Suche war.

Eines Abends, als der Junge sich am Fuße eines riesigen Baumes ausruhte, sah er etwas Merkwürdiges. Neben ihm marschierte eine lange Kolonne schwarzer Ameisen durch das Moos und bildete eine Straße, die aus der Tiefe des Waldes bis zu dem Baum führte.

Der kleine Junge beobachtete sie, ohne sich zu bewegen, weil er sie nicht stören wollte. Die Ameisenkolonne verschwand unter dem Wurzelwerk des großen Baumes in einer Höhlung, die aussah, als wäre sie eine Verbindung zur Welt unter der Erdoberfläche. Langsam wagte sich der Junge an die Öffnung heran und sah, dass die Ameisen mit einem Wassertropfen zwischen den Kiefern wieder emporkamen.

Er war plötzlich ganz aufgeregt, denn er begriff, dass er soeben den geheimen Ort entdeckt hatte, wo das gesamte Wasser des Himmels aufbewahrt wurde. Es war der große Baum Wingo, der sich sehr hoch über die anderen Bäume des Waldes erhob, so hoch, dass ihn bisweilen die Hand des Donnergottes traf und mit ihren steinernen Fingernägeln zerzauste. Der Junge fing an, am Fuß des großen Baumes zu graben. Nachdem viele Tage und Nächte vergangen waren, begann der Baum, der in seinem Fundament zerstört war, sich zu neigen. Mit einem lauten Krachen fiel er zu Boden.

Während der Baum fiel, schaute der Junge mit aufgerissenen Augen zu, denn er wusste, die Welt würde fortan nie mehr dieselbe sein: Aus den Wurzeln des Baumes sprudelten die Quellen, der so breite und so große Stamm wurde zum Flusslauf, die Zweige und Blätter verloren sich irgendwann in einem immer größer werdenden Meer. Seit dieser Zeit kennen die Menschen das Wasser der Flüsse und haben großen Respekt vor den Wingo-Bäumen, die es ihnen gegeben haben, und vor den schwarzen Ameisen, die als Zeichen der vergangenen Zeit noch immer den Tropfen tragen, der zwischen ihren Kiefern funkelt ...
 
Der Kaufmann und sein Papagei
Ein wohlhabender Kaufmann lebte nahe der großen Stadt alleine in einem riesigen Haus. In seinem gut laufendem Geschäft handelte er mit Rosenwasser, Safran, Feigen, Mandeln und Pistazien. Er hätte glücklich und zufrieden sein können, doch oft grämte er sich, denn seine geliebte Frau war vor einigen Jahren verstorben und so war er sehr einsam.

Eines Tages flog ihm ein wunderschöner Papagei zu: Das Gefieder war grün-gelblich, der Hinterkopf hatte eine leicht bläuliche Färbung und besonders hübsch war sein roter Schnabel. Es vergingen viele Tage und Wochen, in denen sich der Papagei und der Kaufmann anfreundeten. Der Kaufmann war so glücklich darüber, nun nicht mehr alleine zu sein, und verbrachte viele Stunden damit, dem Vogel das Sprechen beizubringen. Zur Belohnung für etwas Erlerntes bekam der Papagei ein Stück aus dem Zuckersack, der nach und nach auf so spielerische Weise immer wichtiger für ihn wurde.

Nach einem anstrengenden und langen Tag kam der Kaufmann eines Abends sehr müde nach Hause. Er bat den Vogel wach zu bleiben und auf das Haus mit seinen wertvollen Schätzen acht zu geben. Der Papagei wachte sorgsam die ganze Nacht und ließ dabei seinen Zuckersack nicht aus den Augen. Gegen Morgen jedoch kamen Diebe und raubten ungestört das ganze Haus aus. Gold, teure Tücher, Gewürze und Früchte nahmen sie mit, den Sack mit dem Zucker ließen sie aber achtlos zurück.

Am nächsten Morgen ging der Kaufmann entsetzt durch sein Haus und beklagte beim Papagei den Verlust all seiner Schätze. Der entgegnete ihm aber: "Ich habe doch auf den Zuckersack aufgepasst! - Ist er denn nicht unser kostbarster Besitz?"
 
Die Prinzessin und die Krähe
In einem königlichen Schloss lebte eine sehr hübsche und gutherzige Prinzessin. Nicht weit entfernt stand ein zweites, schon zerfallenes Schloss mit einem schönen Garten. Hier ging die Prinzessin gern spazieren. Einmal ging sie die Lindenallee auf und ab, da hüpfte aus den Rosen eine schwarze Krähe hervor. Sie war ganz zerzaust und verletzt, sodass die gute Prinzessin Mitleid mit ihr hatte.

"Ich bin keine Krähe, ich bin ein verzauberter Prinz und muss meine jungen Jahre so im Elend zubringen. Oh Prinzessin, du könntest mich wohl retten. Sei für immer meine Gefährtin, trenne dich von deinen Lieben und komme zu mir in dieses Schloss. Ein Zimmer ist noch wohnlich, darinnen steht ein goldenes Bett. Einsam wirst du hier leben, doch vergiss nicht: Was du in der Nacht auch siehst und hörst, nie darfst du ein Angstgeschrei erheben; denn wenn du nur ein einziges Mal schreist, sind meine Qualen verdoppelt."

Die gütige Prinzessin verließ Vater und Mutter und zog in das einsame Schloss. Am ersten Abend konnte sie nicht einschlafen. Um Mitternacht hörte sie, dass etwas angeschlichen kam. Die Türe öffnete sich und ein Heer böser Geister stürmte herein. Sie starb beinahe vor Furcht, doch sie gab keinen Laut von sich. Da krähte plötzlich der Hahn und alles verschwand.

Die Krähe hüpfte vor Freude im Zimmer umher und dankte der Prinzessin für ihren Mut, denn schon waren die Qualen deutlich gemildert. Die Prinzessin aber lebte einsam und erlitt die schrecklichsten Nächte. So waren zwei Jahre vergangen, da sprach die Krähe zur Prinzessin: "In einem Jahr ist meine Strafzeit vorbei. Ehe ich jedoch meine wahre Gestalt wiedererlange, musst du in die weite Welt ziehen und als Magd dienen.

Die junge Prinzessin zog aus und diente nun ein ganzes Jahr lang als Magd. Eines Abends spann sie Flachs und war schon ganz müde, da vernahm sie frohes Rufen, herein trat ein schöner Jüngling, kniete vor ihr nieder und küsste ihre arbeitsmüden Hände. "Ich bin es", rief er aus.

"Ich bin der Prinz, den du durch deine Güte von furchtbaren Qualen befreit hast. Komm mit auf mein Schloss." Und so zog sie mit ihm auf das Schloss, wo sie solchen Schrecken erlebt hatte. Dort verlebten der Prinz und die gutherzige Prinzessin gemeinsam hundert glückliche Jahre.
 
Geri
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