Çocuklar için almanca hikayeler

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Tariks Abenteuer
Tarik, der kleine Tiger, pirschte sich auf leisen Pfoten an seinen schlafenden Bruder heran. Als er ihn erreicht hatte, hob er seine kleine Tigertatze und haute sie ihm übermütig ins Gesicht. Balan erwachte. "Was soll das, Tarik? Lass mich schlafen!", murmelte er und streckte sich träge. Doch dazu hatte Tarik überhaupt keine Lust.

Erneut stupste er seinen Bruder an. Wie er es bei seiner Mutter gesehen hatte, zog er die Lippen von den Zähnen und fauchte. "Soll ich etwa Angst vor dir haben?", kicherte Balan. "Na warte!" Er sprang auf. Tarik drehte sich blitzschnell um und rannte davon. "Fang mich doch!", rief er und flitzte durch das Grasland auf den nahen Dschungel zu. "Nicht in den Wald, Tarik", rief Balan hinter ihm her. "Mama hat gesagt, wir sollen unter dieser Baumgruppe bleiben, bis sie wiederkommt." "Angsthase! Angsthase!", höhnte Tarik.

Er blieb am Waldrand stehen und schaute seinen Bruder herausfordernd an. "Komm schon, lass uns eine Entdeckungsreise machen!" Doch Balan schüttelte den Kopf. "Das ist viel zu gefährlich, hat Mama gesagt", warnte er. "Dann gehe ich eben allein!", drohte Tarik. "Mach doch - aber du traust dich eh nicht", antwortete Balan.

Das wollte Tarik nicht auf sich sitzen lassen. Das Tigerbaby drehte sich um und starrte in den dichten Urwald. Dort hinein war es noch nie allein gegangen. Unheimliche Geräusche von anderen Tieren drangen hervor. Tarik überlegte. Er schaute zu seinem feixenden Bruder hinüber. Was soll´s, ich bin schließlich ein Tiger, dachte Tarik. Er hob stolz den Kopf und marschierte in den Dschungel.

Nach der Helligkeit in der Savanne konnte er im dämmrigen Wald zuerst kaum etwas erkennen. Nach wenigen Schritten stolperte er über eine Wurzel. Aua, maunzte er erschrocken und leckte seine Pfote. Vorsichtiger tapste er weiter. Ein bunter Schmetterling flog um ihn herum. Tarik schnappte danach, aber er erwischte ihn nicht.

Der Falter flatterte jetzt dicht vor seiner Nase hin und her. Das ärgerte Tarik. Dich kriege ich, dachte er und setzte dem Falter nach. Doch jedes Mal, wenn er ihn erreichte, flog der Falter ein Stückchen höher hinauf, als Tarik springen konnte. Enttäuscht gab der kleine Tiger schließlich die Verfolgung auf. Verdutzt blickte er sich um. Durch sein Fangenspiel war er tiefer in den Dschungel geraten, als er es vorgehabt hatte. Hier war er noch nie gewesen. Plötzlich plumpste etwas auf seinen Rücken. Verblüfft hopste Tarik in die Höhe. Ein Kreischen war zu hören, und ein weiteres Teil landete auf seinem Kopf. Und wieder eines auf seinem Rücken. Jetzt hagelte es kleine Hölzchen und Steine auf ihn herab. Braune Tiere mit langen Armen und Beinen tauchten zwischen den Bäumen auf, die sich einen Spaß daraus machten, ihn zu bewerfen. Dabei ließen sie ein vergnügtes Kreischen hören. Tarik machte, dass er davonkam.

Ein grüner Papagei hatte alles beobachtet. Nachdenklich blickte er hinter dem davonstürmenden Tigerbaby her. Was macht der kleine Tiger so allein im Wald, überlegte er. Na, ich werde besser mal ein Auge auf ihn haben. Er breitete seine Flügel aus und flog ihm nach. Tarik war der Affenhorde inzwischen glücklich entkommen. Außer Atem ließ er sich unter einen Busch plumpsen. Wie finde ich nur wieder zurück in die Savanne, grübelte Tarik. Hier gefällt es mir gar nicht! Es ist laut und düster und niemand möchte mein Freund sein. Traurig ließ er den Kopf auf die Tatzen sinken. Da hörte er ein Krächzen. Tarik schaute auf. Ganz in der Nähe flatterte der grüne Vogel aufgeregt auf und ab.

"Lass mich bloß in Ruhe!", fauchte Tarik. Stattdessen kam der Papagei auf ihn zugestürzt. Tarik zog den Kopf ein. Der Vogel landete dicht neben ihm auf dem Boden. Er machte ein Heidenspektakel und schien nach etwas zu picken. Tarik guckte genauer hin und erstarrte vor Schreck. Eine kleine Schlange hatte sich angeschlichen. Sie sah aus, als ob sie ihn jeden Moment beißen wollte. "Lauf weg!", krächzte der Papagei. "Ich lenke sie ab." Das ließ sich Tarik nicht zwei Mal sagen. Er sprang auf und brachte sich mit einigen wilden Sätzen in Sicherheit. Die Schlange zischte ärgerlich.

"Das war knapp", sagte Tarik erleichtert, als der Vogel zu ihm geflogen kam. "Danke!" "Ich habe dir gern geholfen", versicherte der Papagei. "Übrigens, ich heiße Coco." "Ich bin Tarik", erklärte der kleine Tiger. "Und ich möchte zurück in die Savanne zu meinem Bruder und zu meiner Mama." "Ich kann dir den Weg zeigen", versprach Coco. "Wir sind doch jetzt Freunde. Los, komm mir nach!" Er flog vor Tarik her und führte ihn sicher zum Waldrand zurück. Dort verabschiedeten sich die beiden voneinander.

Das Tigerbaby stapfte durch das trockene Gras zurück zu seinem Bruder. Balan hatte lange auf Tarik gewartet und war darüber eingeschlafen. Auch Tarik war müde. Er kuschelte sich an Balan und gähnte. Dann schlief er ein. Kurze Zeit später kam die Tigermutter von der Jagd zurück. Liebevoll blickte sie auf ihre schlafenden Jungen. Das war aber ein wildes Spiel, schmunzelte sie, als sie Tariks zerzaustes Fell betrachtete. Dann senkte sie den Kopf und leckte mit der Zunge die kleinen Hölzchen heraus, die sich im weichen Tigerfell verfangen hatten. Tarik schnurrte zufrieden im Schlaf.
Eine Geschichte von K. Greiner aus Abstatt.
 
Träne
Jonas weinte. Mal wieder. Jonas weinte ständig. Diesmal hatte seine Schwester sein Auto weggenommen, weil sie ihn ärgern wollte. Er schmiss sich auf den Boden, hämmerte mit beiden Händen auf die Steine und presste sich einige Tränen aus den Augen, um seinem Ärger mehr Ausdruck zu verleihen. Mehrere Tränen kullerten aus seinen Augen. Eine der Tränen kullerte ganz schnell heraus und beeilte sich, von Jonas fortzukommen.

Die Träne dachte: "Endlich, endlich kann ich weg von Jonas. Dieser kleine verzogene Junge. Der heult so viel und ist immer so trotzig, ich mag nicht mehr bei ihm sein. Er tut immer so, als sei er furchtbar traurig, dabei ist das alles nur gespielt, um seinen Willen durchzusetzen. Ich kullere fort, weit weg von Jonas und suche mir ein fröhliches Gesicht."

Sie kullerte schnell von Jonas fort, hinaus zum Gartentor und über die Straße. Sie folgte der Straße bis sie zu einer grünen Wiese kam. Dort entdeckte sie einen Stall mit Schweinen und Kühen drin. Sie kullerte in den Stall hinein, um nachzusehen, ob dort glückliche Tiere wohnten und sie ein neues Zuhause fand. Dort standen nebeneinander in großen Boxen viele Kühe. Die Schweine waren alle in einem großen Stall untergebracht.

"Hallo", sagte die Träne: "Seid ihr glücklich?" "Muhhhhh", brummte eine Kuh: "Nein, sind wir nicht. Siehst du die große Wiese vor unserem Stall? Wir dürfen sie nur ansehen, aber nicht betreten. Und wir haben solche Sehnsucht danach, auf ihr weiden zu dürfen."

"Genau", sagten die Schweine, "wir sind auch nicht glücklich. Auf der Wiese ist ein riesiges Schlammloch, in dem wir uns gerne suhlen würden, aber wir dürfen nicht auf die Wiese. Der Bauer hat keine Lust, uns jeden Tag wieder einzufangen, wenn wir abends wieder in den Stall sollen. Deshalb lässt er uns erst gar nicht aus dem Stall heraus."

Die Träne antwortete: "Aber ihr habt doch hier alles. Ihr bekommt Futter und Wasser und der Bauer melkt euch regelmäßig. Außerdem habt ihr viel Auslauf in eurem Stall, der ist doch riesengroß. Reicht das denn nicht?" "Nein", sagten die Tiere. "Wir wollen auf die Wiese." Und weiter ging das Gemecker der Tiere.

"Oh je", dachte die Träne, "hätte ich bloß nicht gefragt. Jetzt hören die gar nicht mehr auf zu schimpfen und ich muss mir das alles anhören." Heimlich kullerte die Träne zum Stallausgang und verschwand. Sie hörte die Tiere noch eine ganze Weile schimpfen. Sie wollte kein Gejammer mehr hören, sie wollte endlich ein glückliches Gesicht sehen und somit ein schönes zu Hause haben.

Sie kullerte weiter und kam in die nächste Stadt. Dort kam sie zu einer Schule. Viele Kinder liefen auf dem Schulhof herum. Sie kullerte in eine Ecke des Schulhofes und schaute sich um. Ihr Blick fiel auf eine Gruppe Mädchen, die sich zankten.

"Das ist meine Puppe", heulte das eine Mädchen. "Nein", schrie ein anderes größeres Mädchen zurück, "das ist meine. Ich habe sie in einem Klassenzimmer gefunden." "Aber ich habe sie doch verloren", rief das erste Mädchen. "Na und, gefunden ist gefunden", rief das große Mädchen. Und dann ging die große Heulerei los. "Schnell weg hier", dachte sich die Träne und rollte weiter.

Auf ihrem Weg auf der Suche nach einem fröhlichen Gesicht kam die Träne an einem Altenheim vorbei. Sie rollte hinein und traf auf einen alten Herrn, der im Bett lag: "Bist du glücklich", fragte die Träne. "Warum sollte ich glücklich sein", antwortete der alte Mann. "Ich liege hier im Bett, abgeschoben von meiner Familie. Keiner will mich mehr haben."

"Aber du kannst doch nicht mehr laufen", antwortete die Träne. "Wie soll dich deine Familie dann pflegen? Da bist du doch hier gut aufgehoben, da bekommst du Hilfe und hast andere Heimbewohner zum Spielen und Reden. Außerdem besucht deine Familie dich doch oft. Du bist soweit gesund und dir geht es gut. Warum kannst du hier nicht glücklich sein?" "Ich will hier gar nicht glücklich sein", antwortete der alte Mann. "Oh nein", dachte sich die Träne. "Schon wieder einer, der unglücklich sein will und sich selber Probleme macht." Sie kullerte schnell aus dem Altenheim hinaus.

Sie kam an einen Garten in dem zwei Familien mit Kindern grillten. Sie meckerten über den bewölkten Himmel und die verpasste Chance, bei sonnigem Wetter zu grillen und im Garten zu liegen.

Die Träne rollte erst gar nicht näher an den Garten heran. Sie sah schon die verkniffenen Gesichter und wollte erst gar nicht fragen, warum sie nicht glücklich waren. Sie rollte unter einen Baum und fragte sich, ob sie überhaupt auf der Welt ein glückliches Gesicht finden würde. Sie glaubte schon gar nicht mehr daran.

Alle Gesichter, die sie bisher getroffen hatte, waren unfroh und konnten sich nicht über Kleinigkeiten freuen. Sie wollten alle etwas für sie Unerreichbares haben und waren deshalb unglücklich. Aber die Träne wollte die Welt auch nicht verbessern. Sie wollte nur selber glücklich sein und deshalb musste sie auch für sich selber einen Weg finden, damit sie das wurde.

Tief in ihre Gedanken versunken kam sie an einem Krankenhaus vorbei. Sie kullerte hinein und gelangte auf eine Station für gelähmte Menschen. Sie traf auf einen kleinen lächelnden Jungen, der im Rollstuhl saß. "Wie kannst du lachen, obwohl du nicht laufen kannst", fragte die Träne.

"Das will ich dir gerne erklären", antwortete der kleine Junge: "Ich liege seit einiger Zeit auf dieser Station. Ich hatte einen Unfall und kann meine Beine nicht mehr bewegen. Ich musste lernen, wie man mit einem Rollstuhl umgeht und wie ich mit anderen Kindern spielen kann, ohne meine Beine bewegen zu können. Dafür war ich lange Zeit von meiner Familie getrennt und die ganze Zeit hier sehr allein. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich meinen eigenen Rollstuhl bekommen habe und zu meiner Familie nach Hause zurückkehren kann. Denn ich habe hier gelernt, mit meiner Behinderung zu leben und damit umzugehen. Da meine Eltern gleich kommen werden und mich nach Hause bringen, freue ich mich, dass es mir gut geht und ich nicht mehr alleine bin."

"Du bist aber ein netter zufriedener Junge", sagte die Träne. "Du bist das erste zufriedene Gesicht, das mir begegnet ist, obwohl du wirklich einen Grund hättest, unglücklich zu sein. Darf ich bei dir bleiben und mit dir nach Hause gehen? Ich wünsche mir doch so sehr ein glückliches und fröhliches Zuhause."

"Gerne", sagte der kleine Junge im Rollstuhl. "Ich kann einen kleinen treuen Freund gebrauchen."
Eingesandt von S. Semelka, Bochum
 
Wer ist das Sandmännchen?
Das Sandmännchen ist ein Zwerg, der einen großen Sack auf dem Rücken trägt. Abends, in der Dämmerung, macht es sich auf die Socken. Dann geht es über Land. Es ist aber so winzig und schleicht so vorsichtig vor sich hin, dass niemand es sehen und erkennen kann. Ach, das arme Sandmännchen hat viel zu tun! Alle Kinder muss es besuchen, die in ihren warmen Betten liegen und schlafen. Da muss der Sandmann flitzen. Zuerst besucht er die kleinen Kinder. Er nimmt etwas Sand aus dem Sack und streut ihn den Kleinen in die Augen: Ein Körnchen ins rechte Auge, eins ins linke! Und dann schlummert das Kind ganz sacht, und manchmal beginnt es sogar zu schnarchen. Das hört das Sandmännchen freilich nicht mehr; denn es ist längst weitergeeilt zu den größeren Kinder.

Auch ihnen bläst es ein Körnlein in die Augen, damit sie schlafen. Wenn das Sandmännchen einmal ein Kind vergessen würde, das wäre schlimm: Es könnte bestimmt nicht einschlafen und würde die ganze Nacht über wach bleiben. Wie gut, dass es den Sandmann gibt. Das Sandmännchen selber darf nachts nie schlafen; aber vielleicht schläft es am Tag ein bisschen, so um die Mittagszeit. Man müsste es einfach mal danach fragen. Würdest du es tun, wenn es heute Abend zu dir kommt ?
St. Wehr, Fehl-Ritzhausen
 
Wie der Mond zu seiner gelben Farbe kam
Bereits vor langer, langer Zeit, als auf der Erde noch Steinzeitmenschen und Mammuts hausten, stand der Mond schon am Himmel. Genauso wie heute schlief er tagsüber hinter den Wolken versteckt und schien nachts auf die Erde. Jedoch war er nicht so schön gelb, wie wir in ihn heute kennen, sondern blass und käsig.

Dem Mond war zu jener Zeit auch oft kalt. Er zitterte und klapperte mit seinen Zähnen, obwohl ihm ein Engelchen einmal einen langen weißen Schal und dicke Socken gestrickt hatte. Und eines Tages zog sich der Mond auch noch eine Erkältung zu. Er nieste und hustete so laut, dass man es bis zur Erde hinab hören konnte.

Die Menschen bekamen Angst, denn sie wussten ja nicht, dass der Mond einen Schnupfen hatte. Die Sterne blickten besorgt zur Erde hinab. "So kann es nicht weitergehen!", raunten sie einander zu. Gemeinsam mit dem Mond überlegten sie hin und her, was sie denn tun könnten. Ein alter weiser Stern schlug schließlich vor, die Sonne um Rat zu fragen.

Gleich am nächsten Tag stand der Mond zwei Stunden früher auf als sonst, um die Sonne noch rechtzeitig vor ihrem Untergang zu treffen. Die Sonne freute sich sehr über den Besuch des Mondes. Sie war eine nette dicke ältere Dame, die viel lachte und schwatzte. Sie erzählte dem Mond viel davon, was sie tagsüber alles auf der Erde beobachtete. Der Mond merkte, wie ihn ein warmes und wohliges Gefühl durchströmte. Er begann heller und heller in einem satten, kräftigen Gelb zu leuchten. Ihm war gar nicht aufgefallen, wie einsam und leer er sich bislang gefühlt hatte.

"Natürlich!" überlegte er. "Die Sterne erscheinen nur gemeinsam am Himmel, die Schäfchenwolken ziehen nur in Gruppen über das Land und sogar der Wind trifft sich des öfteren mit dem Sturm zum Kaffee."

Seit jener Zeit sieht man übrigens immer wieder einmal den Mond am späten Nachmittag bei einem Pläuschchen mit der Sonne am Himmel stehen.
Eingesandt von B. Piegendorfer, Kumhausen
 
Der Herr Gevatter


Ein armer Mann hatte so viel Kinder, dass er schon alle Welt zu Gevatter gebeten hatte, und als er noch eins bekam, so war niemand mehr übrig, den er bitten konnte. Er wusste nicht, was er anfangen sollte, legte sich in seiner Betrübnis nieder und schlief ein. Da träumte ihm, er sollte vor das Tor gehen und den ersten, der ihm begegnete, zu Gevatter bitten. Als er aufgewacht war, beschloss er dem Traume zu folgen, ging hinaus vor das Tor, und den ersten, der ihm begegnete, bat er zu Gevatter. Der Fremde schenkte ihm ein Gläschen mit Wasser und sagte ‚das ist ein wunderbares Wasser, damit kannst du die Kranken gesund machen, du musst nur sehen, wo der Tod steht. Steht er beim Kopf, so gib dem Kranken von dem Wasser, und er wird gesund werden, steht er aber bei den Füssen, so ist alle Mühe vergebens, er muss sterben.‘ Der Mann konnte von nun an immer sagen, ob ein Kranker zu retten war oder nicht, ward berühmt durch seine Kunst und verdiente viel Geld. Einmal ward er zu dem Kind des Königs gerufen, und als er eintrat, sah er den Tod bei dem Kopfe stehen und heilte es mit dem Wasser, und so war es auch bei dem zweitenmal, aber das drittemal stand der Tod bei den Füssen, da musste das Kind sterben.

Der Mann wollte doch einmal seinen Gevatter besuchen und ihm erzählen, wie es mit dem Wasser gegangen war. Als er aber ins Haus kam, war eine so wunderliche Wirtschaft darin. Auf der ersten Treppe zankten sich Schippe und Besen, und schmissen gewaltig aufeinander los. Er fragte sie ‚wo wohnt der Herr Gevatter?‘ Der Besen antwortete ‚eine Treppe höher.‘

Als er auf die zweite Treppe kam, sah er eine Menge toter Finger liegen. Er fragte ‚wo wohnt der Herr Gevatter?, Einer aus den Fingern antwortete ‚eine Treppe höher.‘ Auf der dritten Treppe lag ein Haufen toter Köpfe, die wiesen ihn wieder eine Treppe höher. Auf der vierten Treppe sah er Fische über dem Feuer stehen, die britzelten in der Pfanne, und backten sich selber. Sie sprachen auch ‚eine Treppe höher.‘ Und als er die fünfte hinaufgestiegen war, so kam er vor eine Stube und guckte durch das Schlüsselloch, da sah er den Gevatter, der ein paar lange Hörner hatte. Als er die Türe aufmachte und hineinging, legte sich der Gevatter geschwind aufs Bett und deckte sich zu. Da sprach der Mann ‚Herr Gevatter, was ist für eine wunderliche Wirtschaft in Eurem Hause? als ich auf Eure erste Treppe kam, so zankten sich Schippe und Besen miteinander und schlugen gewaltig aufeinander los.‘ ‚Wie seid Ihr so einfältig,‘ sagte der Gevatter, ‚das war der Knecht und die Magd, die sprachen miteinander.‘ ‚Aber auf der zweiten Treppe sah ich tote Finger liegen.‘ ‚Ei, wie seid Ihr albern! das waren Skorzenerwurzeln.‘ ‚Auf der dritten Treppe lag ein Haufen Totenköpfe.‘ ‚Dummer Mann, das waren Krautköpfe.‘ ‚Auf der vierten sah ich Fische in der Pfanne, die britzelten, und backten sich selber.‘ Wie er das gesagt hatte, kamen die Fische und trugen sich selber auf. ‚Und als ich die fünfte Treppe heraufgekommen war, guckte ich durch das Schlüsselloch einer Tür, und da sah ich Euch, Gevatter, und Ihr hattet lange Hörner.‘ ‚Ei, das ist nicht wahr.‘ Dem Mann wurde angst, und er lief fort, und wer weiss, was ihm der Herr Gevatter sonst angetan hätte.
 
Der singende Knochen


Es war einmal in einem Lande grosse Klage über ein Wildschwein, das den Bauern die Äcker umwühlte, das Vieh tötete und den Menschen mit seinen Hauern den Leib aufriss. Der König versprach einem jeden, der das Land von dieser Plage befreien würde, eine grosse Belohnung; aber das Tier war so gross und stark, dass sich niemand in die Nähe des Waldes wagte, worin es hauste. Endlich liess der König bekanntmachen, wer das Wildschwein einfange oder töte, solle seine einzige Tochter zur Gemahlin haben.

Nun lebten zwei Brüder in dem Lande, Söhne eines armen Mannes, die meldeten sich und wollten das Wagnis übernehmen. Der älteste, der listig und klug war, tat es aus Hochmut, der jüngste, der unschuldig und dumm war, aus gutem Herzen. Der König sagte: „Damit ihr desto sicherer das Tier findet, so sollt ihr von entgegengesetzten Seiten in den Wald gehen.“ Da ging der älteste von Abend und der jüngste von Morgen hinein. Und als der jüngste ein Weilchen gegangen war, so trat ein kleines Männlein zu ihm; das hielt einen schwarzen Spiess in der Hand und sprach: „Diesen Spiess gebe ich dir, weil dein Herz unschuldig und gut ist; damit kannst du getrost auf das wilde Schwein eingehen, es wird dir keinen Schaden zufügen.“ Er dankte dem Männlein, nahm den Spiess auf die Schulter und ging ohne Furcht weiter. Nicht lange, so erblickte er das Tier, das auf ihn losrannte, er hielt ihm aber den Spiess entgegen, und in seiner blinden Wut rannte es so gewaltig hinein, dass ihm das Herz entzweigeschnitten ward. Da nahm er das Ungetüm auf die Schulter, ging heimwärts und wollte es dem Könige bringen.

Als er auf der andern Seite des Waldes herauskam, stand da am Eingang ein Haus, wo die Leute sich mit Tanz und Wein lustig machten. Sein ältester Bruder war da eingetreten und hatte gedacht, das Schwein liefe ihm doch nicht fort, erst wollte er sich einen rechten Mut trinken. Als er nun den jüngsten erblickte, der mit seiner Beute beladen aus dem Walde kam, so liess ihm sein neidisches und boshaftes Herz keine Ruhe. Er rief ihm zu: „Komm doch herein, lieber Bruder, ruhe dich aus und stärke dich mit einem Becher Wein.“ Der jüngste, der nichts Arges dahinter vermutete, ging hinein und erzählte ihm von dem guten Männlein, das ihm einen Spiess gegeben, womit er das Schwein getötet hätte.

Der älteste hielt ihn bis zum Abend zurück, da gingen sie zusammen fort. Als sie aber in der Dunkelheit zu der Brücke über einen Bach kamen, liess der älteste den jüngsten vorangehen, und als er mitten über dem Wasser war, gab er ihm von hinten einen Schlag, dass er tot hinabstürzte. Er begrub ihn unter der Brücke, nahm dann das Schwein und brachte es dem König mit dem Vorgeben, er hätte es getötet; worauf er die Tochter des Königs zur Gemahlin erhielt. Als der jüngste Bruder nicht wiederkommen wollte, sagte er: „Das Schwein wird ihm den Leib aufgerissen haben,“ und das glaubte jedermann.

Weil aber vor Gott nichts verborgen bleibt, sollte auch diese schwarze Tat ans Licht kommen. Nach langen Jahren trieb ein Hirt einmal seine Herde über die Brücke und sah unten im Sande ein schneeweisses Knöchlein liegen und dachte, das gäbe ein gutes Mundstück. Da stieg er herab, hob es auf und schnitzte ein Mundstück daraus für sein Horn. Als er zum erstenmal darauf geblasen hatte, so fing das Knöchlein zu grosser Verwunderung des Hirten von selbst an zu singen:
„Ach, du liebes Hirtelein,
du bläst auf meinem Knöchelein,
mein Bruder hat mich erschlagen,
unter der Brücke begraben,
um das wilde Schwein,
für des Königs Töchterlein.“
„Was für ein wunderliches Hörnchen,“ sagte der Hirt, „das von selber singt, das muss ich dem Herrn König bringen.“ Als er damit vor den König kam, fing das Hörnchen abermals an sein Liedchen zu singen. Der König verstand es wohl und liess die Erde unter der Brücke aufgraben, da kam das ganze Gerippe des Erschlagenen zum Vorschein. Der böse Bruder konnte die Tat nicht leugnen, ward in einen Sack genäht und lebendig ersäuft, die Gebeine des Gemordeten aber wurden auf den Kirchhof in ein schönes Grab zur Ruhe gelegt.
 
Die kleine Feldmaus lernt Zaubern

Es war ein herrlicher, lauer Sommertag. Die kleine Feldmaus und ihre Freunde spielten den ganzen Tag auf dem Feld beim Weiher. Sie spielten Fangen, Verstecken und rannten um die Wette.

Plötzlich sagte die kleine Feldmaus zu ihren Freunden: „Wißt ihr was, jetzt zaubere ich euch etwas vor!“ Die Freunde schauten sich ganz erstaunt an. „Du kannst zaubern?“ Sie setzten sich auf einen liegenden Baumstamm und schauten der kleinen Feldmaus bei ihren Vorbereitungen zu. Diese rollte sich einen kleinen Baumstumpf zurecht und breitete ein Tuch darüber aus. Auf das Tuch stellte sie umgekehrt einen Zylinder und deckte dessen Öffnung mit einem weiteren Tuch zu.

Dann sprach sie ihre Pfötchen in die Höhe haltend: „Abera ca Dabera.“ Und es passierte… nichts. Die Freunde schauten ein klein wenig enttäuscht. Die kleine Feldmaus zog mit einem „Wusch“ das Tuch vom Zylinder und griff mit der linken Hand hinein. Gleichzeitig griff sie mit der rechten Hand nach unten, hinter den Baumstumpf. Dann streckte sie ruckartig beide Hände in die Höhe und hielt ein kleines Kuscheltier in ihrer Rechten. Die Freunde applaudierten zwar, aber etwas zögerlich.

„Ähm…“ sagte der kleine Igel, „Hast du das Kuscheltier aus dem Zylinder geholt? Oder hinter dem Baumstumpf ‚hervorgezaubert’?“ „Na sage mal!“ echauffierte sich die kleine Feldmaus. „Aus dem Zylinder natürlich!“ behauptete sie. „Das sah aber anders aus.“ bestätigte auch der kleine Frosch. „Ja, genau!“ wand der kleine Igel nocheinmal ein. „Irgendwie scheint deine ‚Zauberei‘ nicht ganz fachmännisch zu sein.“ Die kleine Feldmaus senkte den Kopf. „Ja, ihr habt recht. Eigentlich kann ich gar nicht zaubern.“ „Soll ich es dir beibringen?“ fragte da das kleine rosa Schweinchen.

„Du willst mir Zaubern beibringen?“ wunderte sich die kleine Feldmaus. „Kannst du das denn überhaupt?“ „Klaro!“ kam als Antwort und ein erstauntes Raunen machte unter den Freunden die Runde. „Zeig’s uns!“ forderte der kleine Igel, der das nicht glauben konnte. Und das kleine Schweinchen tauschte mit der kleinen Feldmaus die Position. „Meine Damen und Herren,“ fing es an, „sehen sie jetzt die berühmte und berüchtigte Zaubershow des kleinen rosa Schweinchens!!“ Verhaltenes Klatschen setzte ein. Die Freunde waren sich noch nicht sicher, was sie jetzt erwartete.

„Zuerst“ sprach der Zauberkünstler weiter, „werde ich dieses Kuscheltier“ das Kuscheltier wurde in der Hand geschüttelt, „im Zylinder verschwinden lassen!“ Bis jetzt sah die Show gar nicht so schlecht aus und die kleine Feldmaus trommelte mit ihren Pfötchen eine Art Trommelwirbel auf den Baumstamm. Das kleine rosa Schweinchen steckte das Kuscheltier in den Zylinder und deckte diesen mit dem Tuch zu. „Hokus und Pokus, das Kuscheltier nun verschwinde, aber nicht nur auf den Lokus, sondern in aller Winde!“ Es wedelte mystisch mit seinen Armen über dem Zylinder und zog das Tuch ruckartig beiseite. „Ta-Taaaa!“ rief es und stellte sich in Siegerpose hin.

„Hä?“ stieß der kleine Igel aus. „Das Kuscheltier ist noch im Zylinder.“ „Quatsch, ist es nicht!“ erwiderte das Schweinchen und hob den Zylinder hoch und drehte ihn gaaaanz laaaangsam um. Als das Kuscheltier eigentlich hätte rausfallen müssen, tat es das aber nicht. Die Freunde bekamen ganz große Augen. „Wo ist es?“ wunderte sich der kleine Frosch und hopste nach vorn und untersuchte den Zylinder. Im Zylinder war kein Kuscheltier. Und es lag auch keins hinter dem Baumstumpf und das Schweinchen hatte offensichtlich auch kein Kuscheltier bei sich. „He!“ rief der kleine Igel, „Du kannst tatsächlich zaubern!“ „Sag ich doch!“ beharrte das kleine rosa Schweinchen.

„Dann kannst du es mir wirklich beibringen?“ fragte die kleine Feldmaus. „Klaro!“ Aber zuvor ging die Zaubershow weiter. „Meine Damen und Herren! Seht zu, wie ich das Kuscheltier wieder hervor zaubere!“ Die kleine Feldmaus machte wieder ihren Trommelwirbel auf dem Baumstamm. Der kleine Frosch schaute mit ganz großen Augen zum Schweinchen. Da ist doch ein Haken, dacht er, das Schweinchen KANN NICHT zaubern. „Aboro co Diboro! Singa Pur und Qudra Tur! Kuscheltier jetzt komm hervor, am besten hier und nicht im Moor.“ Und wieder wedelte das kleine Schweinchen über dem Zylinder mit dem Tuch darauf. „TA-TAAAA!“ rief es, riß wieder seine Arme in die Luft und machte die Siegerpose.

Das Klatschen war jetzt etwas lauter, verstummte aber ganz schnell wieder. „Ich sehe es noch nicht.“ meckerte wieder der kleine Frosch. „Soll das jetzt im Zylinder sein, oder was?“ „Meine Damen und Herren, ich werde jetzt diesen Zylinder langsam umdrehen.“ Und das Schweinchen drehte wie vorhin den Zylinder gaaaanz laaaangsam um. Und wieder fiel kein Kuscheltier heraus. „Das Kuscheltier ist NICHT im Zylinder. Wo kann es sein? Ich habe es doch wieder hergezaubert.“ „Los, du Knalltüte, sag schon!“ rief der Frosch, der das alles immer noch für einen großen Betrug hielt. „Mein lieber Frosch, bitte dreh dich einmal um.“ sagte das kleine rosa Schweinchen.

Der Frosch drehte sich um und sah hinter dem Baumstamm, auf dem sie saßen, das Kuscheltier auf seinen Füßchen sitzen. Es schien den kleinen Frosch anzugrinsen. Er nahm erstaunt das Kuscheltier und hielt es hoch, damit alle es sehen konnten. Und wieder rief das Schweinchen: „TA-TAAAAAAA!“ Jetzt klatschten die Freunde aber ganz wild und doll und laut. „Bravo!“ „Super!“ „Toll!“ riefen die drei Zuschauer und der kleine Frosch klopfte dem Schweinchen auf die Schulter. „Du kannst WIRKLICH zaubern!“ Und der kleine Igel freute sich: „Ich kenn einen Zauberer! Ich kenn einen Zauberer!“

In den nächsten Tagen lernte die kleine Feldmaus vom kleinen rosa Schweinchen Zaubern. Es war nicht leicht. Man mußte sehr fingerfertig sein, um die schwierigen Übungen hinzubekommen. Einige Zaubertricks gingen ziemlich einfach. Aber andere waren echt schwer zu erlernen. Nach ein paar Tagen führte sie ihren Freunden ein paar Tricks vor. Die Freunde waren richtig begeistert, wie gut sie Zaubern gelernt hatte. Sie klatschten, jubelten und riefen nach Zugabe. Bei der Zugabe mußte das kleine rosa Schweinchen ein wenig aushelfen. Aber das war die beste Zaubershow, die die Freunde je gesehen und selbst veranstaltet hatten.

Geschichte von Torsten Kühnert
 
Die Hochzeit der Frau Füchsin

ERSTES MÄRCHEN

Es war einmal ein alter Fuchs mit neun Schwänzen, der glaubte, seine Frau wäre ihm nicht treu, und wollte er sie in Versuchung führen. Er streckte sich unter die Bank, regte kein Glied und stellte sich, als wenn er mausetot wäre. Die Frau Füchsin ging auf ihre Kammer, schloss sich ein, und ihre Magd, die Jungfer Katze, sass auf dem Herd und kochte. Als es nun bekannt ward, dass der alte Fuchs gestorben war, so meldeten sich die Freier. Da hörte die Magd, dass jemand vor der Haustüre stand und anklopfte; sie ging und machte auf, und da wars ein junger Fuchs, der sprach

‚was mache sie, Jungfer Katze?
schläft se oder wacht se?‘

Sie antwortete

‚ich schlafe nicht, ich wache.
Will er wissen, was ich mache?
Ich koche warm Bier, tue Butter hinein:
will der Herr mein Gast sein?‘

‚Ich bedanke mich, Jungfer,‘ sagte der Fuchs, ‚was macht die Frau Füchsin?‘ Die Magd antwortete

‚sie sitze auf ihrer Kammer,
sie beklagt ihren Jammer,
weint ihre Äuglein seidenrot,
weil der alte Herr Fuchs ist tot.‘

‚Sag sie ihr doch, Jungfer, es wäre ein junger Fuchs da, der wollte sie gerne freien.‘ ‚Schon gut, junger Herr.‘

Da ging die Katz die Tripp die Trapp,
Da schlug die Tür die Klipp die Klapp.
‚Frau Füchsin, sind Sie da?‘
‚Ach ja, mein Kätzchen, ja.‘
‚Es ist ein Freier draus.‘
‚Mein Kind, wie siehe er aus?

Hat er denn auch neun so schöne Zeiselschwänze wie der selige Herr Fuchs?‘ ‚Ach nein,‘ antwortete die Katze, ‚er hat nur einen.‘ ‚So will ich ihn nicht haben.‘

Die Jungfer Katze ging hinab und schickte den Freier fort. Bald darauf klopfte es wieder an, und war ein anderer Fuchs vor der Türe, der wollte die Frau Füchsin freien; er hatte zwei Schwänze; aber es ging ihm nicht besser als dem ersten. Danach kamen noch andere, immer mit einem Schwanz mehr, die alle abgewiesen wurden, bis zuletzt einer kam, der neun Schwänze hatte wie der alte Herr Fuchs. Als die Witwe das hörte, sprach sie voll Freude zu der Katze

‚nun macht mir Tor und Türe auf,
und kehrt den alten Herrn Fuchs hinaus.‘

Als aber eben die Hochzeit sollte gefeiert werden, da regte sich der alte Herr Fuchs unter der Bank, prügelte das ganze Gesindel durch und jagte es mit der Frau Füchsin zum Haus hinaus.

ZWEITES MÄRCHEN

Als der alte Herr Fuchs gestorben war, kam der Wolf als Freier, klopfte an die Türe, und die Katze, die als Magd bei der Frau Füchsin diente, machte auf. Der Wolf grüsste sie und sprach

‚guten Tag, Frau Katz von Kehrewitz,
wie kommts, dass sie alleine sitzt?
was macht sie Gutes da?‘

Die Katze antwortete

‚brock mir Wecke und Milch ein:
will der Herr mein Gast sein?‘

‚Dank schön, Frau Katze,‘ antwortete der Wolf, ‚die Frau Füchsin nicht zu Haus?‘

Die Katze sprach

‚sie sitzt droben in der Kammer,
beweint ihren Jammer,
beweint ihre grosse Not,
dass der alte Herr Fuchs ist tot.‘

Der Wolf antwortete

‚will sie haben einen andern Mann,
so soll sie nur herunter gan.‘
Die Katz, die lief die Trepp hinan‘
und liess ihr Zeilchen rummer gan,
bis sie kam vor den langen Saal:
klopft an mit ihren fünf goldenen Ringen.
‚Frau Füchsin, ist sie drinnen?
Will sie haben einen andern Mann,
so soll sie nur herunter gan.‘

Die Frau Füchsin fragte

‚hat der Herr rote Höslein an, und hat er ein spitz Mäulchen?‘ ‚Nein,‘ antwortete die Katze. ‚So kann er mir nicht dienen.‘

Als der Wolf abgewiesen war, kam ein Hund, ein Hirsch, ein Hase, ein Bär, ein Löwe, und nacheinander alle Waldtiere. Aber es fehlte immer eine von den guten Eigenschaften, die der alte Herr Fuchs gehabt hatte, und die Katze musste den Freier jedesmal wegschicken. Endlich kam ein junger Fuchs. Da sprach die Frau Füchsin ‚hat der Herr rote Höslein an, und hat er ein spitz Mäulchen?‘ ‚Ja,‘ sagte die Katze, ‚das hat er.‘ ‚So soll er heraufkommen,‘ sprach die Frau Füchsin, und hiess die Magd das Hochzeitsfest bereiten.

‚Katze, kehr die Stube aus,
und schmeiss den alten Fuchs zum Fenster hinaus.
Bracht so manche dicke fette Maus,
frass sie immer alleine,
gab mir aber keine.‘

Da ward die Hochzeit gehalten mit dem jungen Herrn Fuchs, und ward gejubelt und getanzt, und wenn sie nicht aufgehört haben, so tanzen sie noch.
 
Läuschen und Flöhchen

Ein Läuschen und ein Flöhchen, die lebten zusammen in einem Haushalte und brauten das Bier in einer Eierschale. Da fiel das Läuschen hinein und verbrannte sich. Darüber fing das Flöhchen an laut zu schreien. Da sprach die kleine Stubentüre: „Was schreist du, Flöhchen?“ – „Weil Läuschen sich verbrannt hat.“

Da fing das Türchen an zu knarren. Da sprach ein Besenchen in der Ecke: „Was knarrst du, Türchen?“ – „Soll ich nicht knarren?

Läuschen hat sich verbrannt,
Flöhchen weint.“

Da fing das Besenchen an entsetzlich zu kehren. Da kam ein Wägelchen vorbei und sprach: „Was kehrst du, Besenchen?“ – „Soll ich nicht kehren?

Läuschen hat sich verbrannt,
Flöhchen weint,
Türchen knarrt.“

Da sprach das Wägelchen: „So will ich rennen,“ und fing an entsetzlich zu rennen. Da sprach das Mistchen, an dem es vorbeirannte: „Was rennst du, Wägelchen?“ – „Soll ich nicht rennen?

Läuschen hat sich verbrannt,
Flöhchen weint,
Türchen knarrt,
Besenchen kehrt.“

Da sprach das Mistchen: „So will ich entsetzlich brennen,“ und fing an in hellem Feuer zu brennen. Da stand ein Bäumchen neben dem Mistchen, das sprach: „Mistchen, warum brennst du?“ – „Soll ich nicht brennen?

Läuschen hat sich verbrannt,
Flöhchen weint,
Türchen knarrt,
Besenchen kehrt,
Wägelchen rennt.“

Da sprach das Bäumchen: „So will ich mich schütteln,“ und fing an sich zu schütteln, dass all seine Blätter abfielen. Das sah ein Mädchen, das mit seinem Wasserkrügelchen herankam und sprach: „Bäumchen, was schüttelst du dich?“ – „Soll ich mich nicht schütteln?

Läuschen hat sich verbrannt,
Flöhchen weint,
Türchen knarrt,
Besenchen kehrt,
Wägelchen rennt,
Mistchen brennt.“

Da sprach das Mädchen: „So will ich mein Wasserkrügelchen zerbrechen,“ und zerbrach das Wasserkrügelchen. Da sprach das Brünnlein, aus dem das Wasser quoll: „Mädchen, was zerbrichst du dein Wasserkrügelchen?“ – „Soll ich mein Wasserkrügelchen nicht zerbrechen?

Läuschen hat sich verbrannt,
Flöhchen weint,
Türchen knarrt,
Besenchen kehrt,
Wägelchen rennt,
Mistchen brennt,
Bäumchen schüttelt sich.“

„Ei,“ sagte das Brünnchen, „so will ich anfangen zu fliessen,“ und fing an entsetzlich zu fliessen. Und in dem Wasser ist alles ertrunken, das Mädchen, das Bäumchen, das Mistchen, das Wägelchen, das Besenchen, das Türchen, das Flöhchen, das Läuschen, alles miteinander.
 
RUTH

Als der alte Mann an einem nebligen Morgen die Strasse entlang spazierte,
sah er plötzlich Ruth vor sich, die weggeworfene Pet-Flaschen und anderen
Müll aufhob und in eine Tasche steckte. Als er neben ihr war, fragte er sie,
warum sie das denn tue. Ruth blickte ihn seltsam an und sagte:

"Das ist ganz einfach, weil Müll die Umwelt stark belastet und was die
Umwelt belastet, schadet auch uns Menschen."

"Aber die Strasse, das Land, die Welt, überall gibt es Abfall und der Mensch erzeugt täglich jede Menge neuen", erwiderte der Alte. "Was macht es also
für einen Unterschied, wenn du dich abmühst?"

Ruth blickte auf die Flasche, die sie eben aufgehoben hatte und steckte
sie in ihre Tasche. Dann meinte sie:

"Für diesen Meter Natur macht es einen Unterschied. Hilf doch auch."

"Müll sammeln", meinte er unangenehm berührt.
"Der Tod ist doch der Einzige erfolgreiche Sammler."

Mit diesem Gedanken drehte er sich um und ging nach Hause. Doch das
Bild von Ruth mit ihrem Sammlereifer und dem, was sie gesagt hatte,
liessen ihn nicht los. In dieser Nacht schlief er schlecht. Er grübelte,
liess sich den Kreislauf des Lebens, des Abfalls und aller möglichen Dinge
durch den Kopf gehen.

Am anderen Morgen stand er früher auf als sonst. Zielstrebig war er
und in Eile. Er wusste genau, was er wollte, nämlich Ruth suchen.
Als er sie endlich gefunden hatte, half er ihr den ganzen Tag Müll
aufsammeln. Er lief mit ihr über Wiesen, durch Wälder und Täler und
abends gingen sie den ganzen "Dreck" richtig entsorgen.

"Du hast recht, und wir haben alle die Möglichkeit einen Unterschied
zu machen", sagte er noch, bevor er nach Hause ging.

(© Monika Minder, neue Fassung 20.12.2014)
(Nach einer Idee von The Star Thrower (der Sternwerfer) von Loren Eiseley.)
 
Geri
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