Çocuklar için almanca hikayeler

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Das hübsche Kätzchen

Es war einmal ein kleines hübsches Kätzchen,
das machte gerne seine Mätzchen.
War ganz niedlich und auch keck,
und manchmal unverschämt und frech.

Schon von klein auf sagten alle immer wieder zu ihm, dass es ein gar
schönes und braves Kätzchen sei. Das Kätzchen war zuerst anderer
Meinung. Doch, wenn alle das sagen, dann wird es sicher stimmen.
So dachte es später und fühlte sich ein bisschen geschmeichelt.

Es ging sogar noch weiter und kokettierte damit, schlug die Augen
auf und schaute extra ganz ganz süss drein. So erhielt es noch mehr
Lob und noch mehr Aufmerksamkeit und Liebe.

Es hatte auch viele Freunde. Alle wollten mit ihm zusammen sein,
weil es so hübsch und nett war.

So lebte das Kätzchen mit seiner Schönheit ganz glücklich und gut.
Allmählich wurde es aber älter und eines Tages sogar ganz schwer
krank. Die Haare fielen ihm aus und es hatte überall Stellen, die arg
juckten. Das hübsche Kätzchen musste den ganzen Tag kratzen
und war gar nicht mehr hübsch. Eher sah es aus wie ein hässliches
Entelein.

Und so fühlte es sich auch.

Das hübsche Kätzchen zog sich zurück. Es ging nicht mehr aus und
nicht mehr Mäuse jagen. Es hockte nur noch in einer Ecke und war
ganz ganz traurig. Keiner kam es besuchen. Es fühlte sich schlecht
und alleine gelassen und sehr sehr einsam.

Niemand kam mehr bei ihm vorbei. Niemand beachtete das Kätzchen
mehr. Langsam wurde ihm klar, dass alle nur mit ihm zusammen
sein wollten, weil es so hübsch war. Alle wollten nur angeben mit ihm.
Als ihm das bewusst wurde, fing es zu weinen an und wurde noch
trauriger und noch kränker.

Und so verging die Zeit und es wurde einfach nicht besser.


Eines Tages kam ein fremder Kater vorbei. Er war auf der Durchreise
und wollte sich ein wenig ausruhen. Er sah das kleine Kätzchen in einer
Scheune in der Ecke liegen und fragte: "Was hast du denn, du kleines
süsses Kätzchen? Was fehlt dir?"

Das Kätzchen schaute hoch und sah den grossen Kater vor sich.
Seine Stimme war ruhig, so dass sich das Kätzchen nicht fürchtete.
Ganz im Gegenteil, seine Anwesenheit war ihm angenehm.

"Ich bin einsam und krank", sagte es leise. "Es juckt mich immer und
ich muss so viel kratzen. Jetzt ist das Fell struppig und ich sehe
hässlich aus. Keiner liebt mich mehr. Keiner besucht mich mehr. Alle
meiden mich und gehen mir aus dem Weg."

Und so kam es, dass das Kätzchen dem Fremden seine ganze
Geschichte erzählte.

Dieser hörte aufmerksam zu und sagte danach ganz liebevoll zu ihm:
"Du bist ein ganz armes Kätzchen. Da hast du ja schlimme Zeiten
hinter dir. Weisst du was, ich habe eine gute Idee. Jetzt gehst du mit
mir ein bisschen spazieren. Die Sonne scheint und die wird dir gut tun."

"Schämst du dich denn nicht mit mir, ich bin doch hässlich?" sagte
das Kätzchen zu ihm und schaute schüchtern zu Boden.

"Nein, nein, du bist überhaupt nicht hässlich. Du hast wunderschöne
Augen. Ich kann mich nicht genug satt sehen an ihnen," sagte der
fremde Kater lächelnd. "Und ich schäme mich überhaupt nicht".

Und so gingen die beiden spazieren. Sie wurden beobachtet von all
den anderen Katzen, aber es war ihnen egal.

Das hübsche Kätzchen blühte etwas auf, und es fühlte sich ganz wohl
und sicher in der Nähe des Katers. So still und bei sich liefen sie eine
Weile nebeneinander her bis der Kater plötzlich stehen blieb und sagte:
"weisst du, es ist nicht so wichtig, hübsch und schön zu sein. Viel viel
wichtiger ist es, wenn man im Herzen "hübsch" und "schön" ist."

Das Kätzchen schaute ihn lange an:

"Was meinst du damit?" fragte es dann ganz neugierig.

"Wenn du ein offenes Herz hast für die anderen, egal wer sie sind und
woher sie kommen und wohin sie gehen wollen. Wenn du deine Liebe
und deine Talente zum Ausdruck bringen kannst, auch wenn du ab
und zu gegen den Strom schwimmen musst, und wenn du gut für
dich selber sorgen kannst," sagte der Kater langsam und eindringlich.
Dabei schaute er mit ganz ernstem Blick in die Ferne. Er wusste ganz
genau, von was er sprach. Er war selber einmal in einer ähnlichen
Situation wie das kleine Kätzchen.

Nach einer Weile drehte er sich um und blickte dem Kätzchen direkt
in die Augen: "Du bist für mich das schönste Kätzchen der Welt. Und
ich habe mich vom ersten Augenblick an, wo ich dich gesehen und
gehört habe, wohl gefühlt in deiner Nähe."

Er nahm nun das hübsche Kätzchen in den Arm und drückte es ganz
ganz liebevoll an sich. Das tat dem kleinen Kätzchen sehr wohl.
So viel Liebe und Aufmerksamkeit hatte es schon lange nicht mehr
erhalten. Endlich hörte ihm jemand zu.

Und jetzt kullerten dem grossen Kater und dem kleinen Kätzchen doch
ein paar Tränen aus den Augen vor Freude und Glück. Und das war gut.

Von diesem Moment an waren die beiden unzertrennlich. Das hübsche
Kätzchen wurde langsam wieder gesund und konnte zufrieden am
Leben teilnehmen. Es brachte seine Stärken dort ein, wo es konnte
und sorgte von nun an selber für das, was es brauchte, für das, was
ihm gut tat. Die Lobhudelei der anderen brauchte es nicht mehr.

Und so wurde aus dem hübschen Kätzchen ein kluges Kätzchen.
 
Der unzufriedene Leo

Es war einmal ein Junge und der hiess Leo. Leo war immer unzufrieden über
alle und über alles. Wo immer er konnte meckerte und schimpfte er.

Gingen alte Menschen vorbei sagte er ihnen: ihr alten Säcke. Gingen junge
Menschen vorbei sagte er ihnen, blöde Kerle. Gingen Mädchen vorbei sagte
er, dumme Gänse. Alle Menschen hatten immer mehr als Leo. Das meinte er
jedenfalls. In Wirklichkeit hatte er alles. Nur eines hatte er nicht. Nämlich
Freunde. Niemand wollte Freund von ihm sein, denn Leo machte nie richtig
mit. Er hielt sich nie an Verabredungen, er wollte nur immer alle verhauen.
Und dann sagte er auch immer wieder: "Ich brauche gar keine Freunde".

Das stimmte natürlich nicht. Sehr gerne hätte auch er Freunde gehabt und
mit den andern etwas unternommen. Er war nicht ehrlich mit sich selber.
Er wollte nur nicht zugeben, dass er alleine ist und dass er lieber nicht
alleine sein wollte.

Seine Unzufriedenheit steigerte sich und so wurde er ein böser aggressiver
Junge, der alle beschimpfte und allen schlechte Wörter nachrief. Und es
kam sogar vor, dass er prügelte und auf alles einschlug.
Einmal da haute er mit einem Stecken auf einen Hund ein bis dieser eine
grosse Wunde hatte und blutete und ganz laut jaulte.

Das hatte zum Glück das Mädchen von nebenan gesehen. Es war ihr
Hund. Aufgebracht und total wütend kam es angesprungen: "Was bist du
nur für ein böser Tölpel", schrie es ihn an. Ob er nicht wisse, dass er dem
Hund sehr sehr weh getan habe.

"Das machen wirklich nur ganz ganz dumme Jungs", sagte es laut und böse.

Das Mädchen hob den Hund auf und trug ihn ins Haus: "Nur ganz ganz
dumme Jungs", rief sie nochmals zurück.

Das gab Leo zu denken, denn er hielt viel von dem Mädchen von nebenan.
Es war sehr klug, spielte Klavier und sah auch noch sehr hübsch aus.
Alle Jungs aus seiner Klasse waren in sie verliebt. Alle wollten ihr Freund
sein. Er auch, aber das Mädchen wählte nur kluge Jungs aus.

Zu gern wäre er ihr Freund gewesen. Schon lange träumte er davon.
Nur, er hatte nie den Mut gehabt, es ihr zu sagen. Einmal wollte er ihr
einen Brief schreiben und sie fragen, ob sie mit zum See käme. Daraus
wurde jetzt auch nichts mehr. Sicher hasste sie ihn wegen der Sache
mit dem Hund.

Das war auch wirklich zu dumm von mir, dachte er. Das macht man wirklich
nicht. Er wusste es, und er hatte ganz arg ein schlechtes Gewissen. Und
dann schimpfte auch noch seine Mutter und der Vater, weil die Nachbarin
natürlich anrufen und ihn verpetzen musste.

"Du gehst jetzt sofort mit diesem Kuchen zu den Nachbarn und dann
entschuldigst du dich in aller Form", sagte die Mutter schroff. Und jetzt
war sie wirklich stinksauer. Er sah es ihr genau an. Wenn sie so ein Gesicht
machte, dann wusste er, jetzt hats zehn geschlagen.

Aber was für eine peinliche Niederlage. Er und sich entschuldigen. Das war
nun wirklich gar nicht sein Ding. Und dann auch noch mit Kuchen. Ganz
kurz versuchte er noch der Mutter zu widersprechen, ihr Gesichtsausdruck
sagte aber alles und er wusste, dass das gar nichts bringen würde.
Höchstens Taschengeldentzug, Hausarrest und sein Fahrrad auf den
Geburtstag könnte er sich dann auch ans Bein streichen.

Also ging er schweren Schrittes mit dem Kuchen zu den Nachbarn und
klingelte einmal ganz kurz. Nur ganz kurz. Es könnte ja sein, dass sie
vielleicht nicht zu Hause waren, und er gleich wieder gehen konnte.
War aber nichts. Das Mädchen machte auf. Auch das noch, dachte er.
Und grimmig schaute sie ihm mitten ins Gesicht. Sie war sehr sehr
böse auf ihn.

Leo runzelte die Stirne: "Entschuldigung", murmelte er vor sich hin und
reichte ihr den Kuchen. "Was hast du gesagt", fragte das Mädchen ganz
laut, so dass man es durchs ganze Haus hören konnte. "Ich habe dich
nicht verstanden". Das Mädchen rief ins Haus: "Leo ist da und will uns
etwas sagen. Kommt doch mal alle her".

Und dann kam die ganze Familie aus dem Haus. Opa, Oma, die Eltern und
noch vier Geschwister und alle starrten sie auf Leo. Leo wäre am liebsten
in den Boden versunken, so hat er sich geschämt. Er brachte kein Wort
mehr hervor. Das war auch zu peinlich.

Das Mädchen war klug und sagte rasch: "Leo hat uns einen ganz leckeren
Kuchen mitgebracht. Er möchte uns etwas sagen. Und was er zu sagen hat,
das sagen nur Jungs die ganz ganz klug sind".

Ihre Worte wirkten. Leo kam aus sich heraus und zeigte nun eine ganz
andere Seite von ihm. Er entschuldigte sich in aller Form und das werde
bestimmt nie nie mehr vorkommen. Es tue ihm sehr leid. Er sei wirklich
dumm gewesen. Und wie es denn dem Hund gehe, fragte er. Er habe
das wirklich nicht gewollt.

Das hat er auch nicht. Den Hund hat er nämlich immer gemocht und viel
mit ihm gespielt, wenn er alleine war. Er war einfach so wütend, weil die
anderen Kinder ihn nicht haben mitspielen lassen. Dann hat er angefangen
um sich zu schlagen und auf das Nächstbeste einzuhauen.

Hätte er doch nur auf den Boden gehauen oder auf ein Stück Holz statt
auf den lieben Hund. Er war doch sein Freund. Das macht man wirklich
nicht. Die Tiere und Menschen sind nicht Schuld an der Unzufriedenheit
von Leo. Das wusste er genau.

"Komm Leo", sagte die Nachbarin, "entschuldige dich bei Husky persönlich.
Es geht ihm gut, und er wird sich sicher freuen, wenn du jetzt ganz lieb
zu ihm bist. Und danach isst du ein Stück Kuchen mit uns."

Alle stimmten ein: "Ja komm, iss ein Stück Kuchen mit uns."

Ja, das mache er gerne. Zuerst wolle er aber zu seinem Freund. Husky lag
in seinem Körbchen als Leo kam. Ein dicker Verband war um seine linke Pfote
gebunden. Er winselte und zog den Kopf ein als er Leo sah. Wie wenn er
Angst hätte, nochmals geschlagen zu werden. Zum Glück hatte Leo nur
die Pfote getroffen.

"Husky mein Lieber", sagte Leo leise und näherte sich ihm ganz vorsichtig.
Erst hielt er nur seine Hand an seine Schnauze, damit er ihn beschnuppern
konnte. Das war gut, denn jetzt hatte der Hund wieder Vertrauen und Leo
konnte ihn ganz feste in den Arm nehmen und liebkosen: "Es tut mir so leid
Husky, es tut mir so leid", sagte Leo zu dem Hund und dabei liefen ihm die
Tränen über's Gesicht.

Wie wenn Husky es verstanden hätte, stand er auf und leckte Leo freudig
das Gesicht ab. Alle lachten und waren glücklich.

Und Leo war überglücklich, denn jetzt gab es Kuchen und er durfte neben
dem hübschen Mädchen sitzen. Zusammen mit der ganzen Familie an einem
grossen Tisch. Das hatte Leo sich immer gewünscht. Er hatte nämlich keine
Geschwister.

Als er nach Hause ging, dachte er bei sich. Die sind ja gar nicht so böse,
wie ich immer dachte. Die sind sogar sehr sehr nett. Sie haben gesagt,
ich dürfe jederzeit wieder kommen und auch immer mit Husky spielen.

Das freute ihn ganz besonders. Er mochte Husky über alles und er freute
sich jetzt schon auf den nächsten Besuch, denn dann wird er das hübsche
Mädchen wieder sehen. Bis dahin möchte er sich bemühen und ein kluger
Leo werden, damit das Mädchen ihn mag.

Und so ist aus dem unzufriedenen Leo ein kluger und zufriedener Leo
geworden, der all die bösen Streiche nicht mehr nötig hatte
 
Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern

Es war fürchterlich kalt; es schneite und begann dunkler Abend zu
werden, es war der letzte Abend im Jahre, Neujahrsabend! In dieser
Kälte und in dieser Finsternis ging ein kleines, armes Mädchen mit
blossem Kopfe und nackten Füssen auf der Strasse. Sie hatte freilich
Pantoffeln gehabt, als sie vom Hause wegging, aber was half das!
Es waren sehr grosse Pantoffeln, ihre Mutter hatte sie zuletzt getragen,
so gross waren sie, diese verlor die Kleine, als sie sich beeilte, über die
Strasse zu gelangen, indem zwei Wagen gewaltig schnell daher jagten.
Der eine Pantoffel war nicht wieder zu finden und mit dem andern lief
ein Knabe davon, der sagte, er könne ihn als Wiege benutzen, wenn
er selbst einmal Kinder bekomme.

Da ging nun das arme Mädchen auf den blossen, kleinen Füssen, die
ganz rot und blau vor Kälte waren. In einer alten Schürze hielt sie eine
Menge Schwefelhölzer und ein Bund trug sie in der Hand. Niemand hatte
ihr während des ganzen Tages etwas abgekauft, niemand hatte ihr auch
nur einen Dreier geschenkt; hungrig und halberfroren schlich sie einher
und sah sehr gedrückt aus, die arme Kleine! Die Schneeflocken fielen
in ihr langes, gelbes Haar, welches sich schön über den Hals lockte,
aber an Pracht dachte sie freilich nicht.

In einem Winkel zwischen zwei Häusern - das eine sprang etwas weiter
in die Strasse vor, als das andere - da setzte sie sich und kauerte sich
zusammen. Die kleinen Füsse hatte sie fest angezogen, aber es fror sie
noch mehr, und sie wagte nicht nach Hause zu gehen, denn sie hatte
ja keine Schwefelhölzer verkauft, nicht einen einzigen Dreier erhalten.
Ihr Vater würde sie schlagen, und kalt war es daheim auch, sie hatten
nur das Dach gerade über sich und da pfiff der Wind herein, obgleich
Stroh und Lappen zwischen den grössten Spalten gestopft waren.
Ihre kleinen Hände waren vor Kälte fast ganz erstarrt.

Ach! ein Schwefelhölchen könnte gewiss recht gut tun; wenn sie nur
wagen dürfte, eins aus dem Bunde herauszuziehen, es gegen die Wand
zu streichen, und die Finger daran zu wärmen. Sie zog eins heraus,

"Ritsch!"

Wie sprühte es, wie brannte es! Es gab eine warme, helle Flamme, wie
ein kleines Licht, als sie die Hand darum hielt, es war ein wunderbares
Licht! Es kam dem kleinen Mädchen vor, als sitze sie vor einem grossen
eisernen Ofen mit Messingfüssen und einem messingenem Aufsatz;
das Feuer brannte ganz herrlich darin und wärmte schön! -
Die Kleine streckte schon die Füsse aus, um auch diese zu wärmen --
da erlosch die Flamme, der Ofen verschwand - sie sass mit einem
kleinen Stumpf des ausgebrannten Schwefelholzes in der Hand.

Ein neues wurde angestrichen, es brannte, es leuchtete, und wo der
Schein desselben auf die Mauer fiel, wurde diese durchsichtig wie ein Flor.
Sie sah gerade in das Zimmer hinein, wo der Tisch mit einem glänzend
weissen Tischtuch und mit feinem Porzellan gedeckt stand, und herrlich
dampfte eine mit Pflaumen und Äpfeln gefüllte, gebratene Gans darauf!
Und was noch prächtiger war, die Gans sprang von der Schüssel herab,
watschelte auf dem Fussboden hin mit Gabel und Messer im Rücken,
gerade auf das arme Mädchen kam sie zu. Da erlosch das Schwefelholz,
und nur die dicke, kalte Mauer war zu sehen.

Sie zündete ein neues an. Da sass sie unter dem schönsten
Weihnachtsbaume. Der war noch grösser und aufgeputzer als der,
welchen sie zu Weihnachten durch die Glastüre bei dem reichen
Kaufmanne erblickt hatte. Viel tausend Lichter brannten auf den
grünen Zweigen und bunte Bilder, wie die, welche die Ladenfenster
schmückten, schauten zu ihr herab. Die Kleine streckte die beiden
Hände in die Höh' - da erlosch das Schwefelholz; Die vielen
Weihnachtslichter stiegen höher und immer höher, nun sah sie,
dass es die klaren Sterne am Himmel waren, einer davon fiel herab
und machte einen langen Feuerstreifen am Himmel.

"Nun stirbt jemand!" sagte die Kleine, denn ihre alte Grossmutter,
welche die einzige war, die sie lieb gehabt hatte, die jetzt aber tot
war, hatte gesagt: "Wenn ein Stern fällt, so steigt eine Seele zu
Gott empor."

Sie strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer, es leuchtete
ringsumher, und im Glanze desselben stand die alte Grossmutter,
glänzend, mild und lieblich da.

"Grossmutter!" rief die Kleine. "O, nimm mich mit! Ich weiss, dass du
auch gehst, wenn das Schwefelholz ausgeht; gleichwie der warme Ofen,
der schöne Gänsebraten und der grosse, herrliche Weihnachtsbaum!"

Sie strich eiligst den ganzen Rest der Schwefelhölzer, welche noch im
Bunde waren, sie wollte die Grossmutter recht festhalten; und die
Schwefelhölzer leuchteten mit solchem Glanz, dass es heller war, als
am lichten Tage. Die Grossmutter war nie so schön, so gross gewesen;
sie hob das kleine Mädchen auf ihren Arm, und in Glanz und Freude flogen
sie in die Höhe, und da fühlte sie keine Kälte, keinen Hunger, keine Furcht -
sie waren bei Gott!

Aber im Winkel am Hause sass in der kalten Morgenstunde das kleine
Mädchen mit roten Wangen, mit lächelndem Munde - tot, erfroren am
letzten Abend des alten Jahres. Der Neujahrsmorgen ging über die kleine
Leiche auf, welche mit Schwefelhölzern da sass, wovon ein Bund fast
verbrannt war. Sie hat sich wärmen wollen, sagte man. Niemand wusste,
was sie Schönes erblickt hatte, in welchem Glanze sie mit der alten
Grossmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war!
 
Lisa's Blumen

Es war einmal ein Mädchen, das hiess Lisa. Lisa war ein fröhliches
Mädchen mit langen blonden Haaren und schönen blauen Augen.
Lisa war gerne draussen in der Natur. Dort konnte sie durch Wiesen
spazieren und Blümchen pflücken und schöne Tiere beobachten.

Endlich war es Frühling geworden und alles war grün und gelb.
Es duftete nach Blumen und frischem Gras. Lisa freute sich immer
besonders auf diese Jahreszeit. Da konnte sie viele Blumen pflücken
und der Mutter bringen und ihr eine Freude machen.

So machte sie sich an einem schönen Frühlingstag wieder auf den
Weg zu ihrer Lieblingswiese am Waldrand, dort wo die vielen gelben
Schlüsselblumen waren. Dafür musste sie zuerst über das Brücklein
hinter dem Haus, weil da ein kleines Bächlein durchplätscherte.

Sie hüpfte fröhlich und sagte: "Guten Tag Bächlein, wie geht es dir
heute?" Das Bächlein schien zu lächeln und Lisa hüpfte weiter. Auf
der anderen Seite ging es jetzt über die Wiese noch ein Stück am
Bächlein entlang. Dort gab es viel zu sehen. Gelbe Dotterblumen
nickten Lisa zu, Steine glänzten, kleine Bäumchen und Sträucher
mit leuchtend grünen jungen Blättern tanzten im Wind und sagten
leise: "Hallo kleines Fräulein!"

Da, eine lange Raupe auf einem Blatt. Sie räkelte sich hin und her.
Lisa ging ganz nahe ran um sie zu beobachten. Jetzt schaute die
Raupe plötzlich zu Lisa hoch, wie wenn sie freundlich grüssen
wollte. Dabei verdrehte sie den Kopf und schwupps purzelte sie
auf den Boden und blieb auf dem Rücken liegen. Sie strampelte
verzweifelt, kam aber nicht mehr auf die Beine.

"Oh je!", sagte Lisa, "was bist du für ein dummer Tolpatsch.
Warte, ich helfe dir!" Lisa holte ein kleines Ästchen und hielt
es der Raupe an die strampelnden Füsschen, die alle nach oben
zeigten. Jetzt konnte sich die Raupe am Ästchen festhalten.
Lisa drehte den Ast um und legte ihn an ein grosses grünes
Blatt, so dass die Raupe nur noch vom Ästchen auf das Blatt
spazieren musste.

Lisa lächelte und als sie weiter spazierte sagte sie noch: "Besser
aufpassen das nächste Mal, gell!" Dabei winkte sie ihm noch ein
letztes Mal zu.

Bald war sie bei ihrer Lieblingswiese angekommen. Viele gelbe und
weisse Blümchen warteten auf sie. "Oh, seid ihr alle schön!" sagte
sie zu ihnen und begann gleich fröhlich zu pflücken. Nur die
grössten und schönsten Blumen wählte sie aus. Für ihre Mutter sollte
es den schönsten Blumenstrauss geben. Heute wollte sie ihr eine
besondere Freude machen damit, denn Mutter war ein bisschen
krank und hatte Sorgen.

Als Lisa so viele Blümchen gepflückt hatte, wie sie in ihren kleinen
Händen halten konnte, machte sie sich auf den Rückweg: "Bis
zum nächsten Jahr ihr schönen Blümchen", winkte sie ihnen zu
und schon hüpfte sie wieder.

Jetzt ging es nach Hause. Nicht aber ohne vorher bei der Raupe
vorbei zu sehen. Ja, sie war noch dort und es ging ihr gut. Lisa
war froh, denn sie wusste, dass aus der grünen Raupe einmal ein
ganz schöner Schmetterling entstehen würde. Das ist wichtig
für die Natur. Alle Tiere sind wichtig für die Natur, deshalb wollte
Lisa immer lieb zu ihnen sein.

Auch zu ihrer Katze Sami, die jetzt zu Hause auf dem Sofa schlief.
Lisa war sicher, dass sie von ihr begrüsst wird, wenn sie nach Hause
kommt. Sami ist auch wichtig, sie wusste es.

Lisa stieg gerade die steile Holztreppe zur Wohnung hoch als die
Türe aufging und Sami ihr entgegen kam. Lisa bückte sich und
streichelte sie zur Begrüssung. Sami schnurrte und strich ihr um
die Beine: "Ja, so ein Lieber bist du", sagte sie schelmisch zu ihm.

Die Mutter stand in der Türe und fragte: "Wo warst du so lange,
ich habe mir Sorgen gemacht?"

Jetzt überreichte Lisa der Mutter voller Stolz die Blümchen: "Die
sind für dich. Die habe ich extra für dich gepflückt, dort bei der
Wiese hinten am Waldrand. Damit es dir bald wieder besser geht."

Erwartungsvoll blickte Lisa zur Mutter hoch. Dieser huschte ein
Lächeln über's Gesicht. Sie nahm Lisa auf den Arm, drückte sie
ganz fest an sich und gab ihr ein paar Küsschen: "Das sind aber
ganz ganz schöne Blümchen Lisa. Ich freue mich darüber sehr.
So schöne Blümchen hast du für mich gepflückt. Vielen Dank!"

"Komm, wir stellen sie gemeinsam in eine Vase mit Wasser, damit
sie noch lange schön bleiben!"
 
Die Geschichte von dem Kind und Schmidts Pflaumen

Einmal hat ein Kind im Garten gespielt.

Es hat ganz allein gespielt, denn seine Mutter hat gerade an diesem Tag sehr viel zu tun gehabt. Sie hat nur manchmal aus dem Fenster nach dem Kind gesehen und sich gefreut, weil das Kind so schön gespielt hat.

Da sind Oma Schmidt und Opa Schmidt von nebenan in ihren Garten gekommen. Oma Schmidt hat zwei Körbe gehabt, und Opa Schmidt hat eine lange Leiter getragen. Sie sind zu dem großen Pflaumenbaum in ihrem Garten gegangen.

Das Kind ist ganz schnell zum Zaun gelaufen und hat ihnen zugesehen.

»Was machst du denn?« hat es gerufen, als Opa Schmidt die Leiter an den Baum gelehnt hat.

»Ich will in den Baum steigen!« hat Opa Schmidt geantwortet und dem Kind zugewinkt.

»Und was machst du dann?«

»Dann will ich oben im Baum die Pflaumen pflücken«, hat Opa Schmidt entgegnet und ist auf die Leiter gestiegen.

Oma Schmidt ist unten geblieben und hat ihm zugeschaut. »Sei ja vorsichtig!« hat sie hinauf in den Baum gerufen.

»Er fällt schon nicht«, hat das Kind die Oma Schmidt getröstet. »Und wenn er fällt, dann fährt die Mutti ihn bestimmt gleich mit dem Auto ins Krankenhaus.«

»Darf ich ein bisschen zu euch kommen?« hat das Kind dann gefragt und gleich darauf ganz laut nach seiner Mutter geschrien.

»Darf ich ein bisschen zu Oma Schmidt in den Garten?« hat es laut gefragt, als seine Mutter ans Fenster gekommen ist.

»Stört Sie das Kind auch nicht?« hat die Mutter gefragt.

»Nicht im geringsten!« hat Opa Schmidt gerufen. Da erst hat ihn die Mutter im Pflaumenbaum entdeckt.

Das Kind aber ist an der einen Stelle, wo man durch den Zaun hindurchschlüpfen kann, in den Nachbargarten gekommen und hat sogleich angefangen, der Oma Schmidt zu helfen. Sie musste nämlich die Pflaumen auflesen, die vom Baum heruntergefallen waren. Und das Bücken fiel ihr recht schwer.

»Warte, Oma Schmidt!« hat das Kind gerufen schnell alle Pflaumen aufgelesen und in den Korb gelegt. Es wurden immer mehr. Denn Opa Schmidt hat nicht nur Pflaumen gepflückt, sondern auch an den Ästen gerüttelt. Da sind viele Pflaumen heruntergefallen.

Danach ist er mit zwei vollen Eimern die Leiter heruntergestiegen und hat sie in den Korb geleert. Da war der eine Korb fast voll.

Sie haben so lange Pflaumen gepflückt und aufgelesen, bis beide Körbe voll waren. Da ist die Oma Schmidt ins Haus gelaufen und hat noch zwei leere Waschkörbe geholt.

Vier Körbe waren schließlich voll mit Pflaumen. Und der große Pflaumenbaum war leer.

Und das Kind hat der Oma Schmidt fleißig geholfen, die Pflaumen aufzulesen, die heruntergefallen waren.

»Danke schön!« hat der Opa Schmidt zum Schluss gesagt, als er mit der Oma alle vier Körbe hintereinander in den Keller getragen hat. Dabei konnte das Kind nicht helfen, denn sie waren zu schwer. Der Opa hat immer einen Henkel genommen und die Oma den anderen. Die Oma hat ganz schön geschnauft dabei.

Dann hat der Opa Schmidt nach dem Geldbeutel in seiner Hosentasche gegriffen und wollte dem Kind fünf Mark schenken.

»Du hast uns so fleißig geholfen«, hat er gesagt.

Aber das Kind hat nur den Kopf geschüttelt und ist ganz schnell durch den Zaun in seinen Garten zurückgeschlüpft.

»Danke schön!« hat ihm die Oma Schmidt nachgerufen. Und das Kind hat sich gefreut.

Am Abend aber, als sie alle gerade am Tisch gesessen waren und zu Abend essen wollten, da hat es plötzlich an der Haustür geklingelt. Und die Oma Schmidt ist hereingekommen und hat dem Kind einen runden, ganz frisch gebackenen Pflaumenkuchen mit viel Zucker obendrauf gebracht.

Da hat sich das Kind so gefreut, dass es an diesem Abend weder Schnittkäse noch warme Fleischwurst, weder Marmelade noch Quark mit Schnittlauch gegessen hat. Nur Pflaumenkuchen mit viel Zucker obendrauf. So lange, bis der Kuchen fast alle und das Kind mehr als satt war.

Dann durften sein Vater und seine Mutter auch davon probieren.

Rolf Krenzer: Freue dich auf jedem Tag.
Würzburg: Echter, 1998
 
Alt-Salzburger Weihnacht

Linde Schuller

Über Salzburg fällt Schnee. Durch das rötlichwarme Dunkel eines früh ermatteten Wintertages lässt sich das schöne Antlitz der Stadt nur ahnen wie ein Frauengesicht hinter dichten Schleiern.

Hätte die wuchtige Feste ihre Silhouette nicht durch allerlei schneeichtes Putzwerk an Zinnen und Türmen betont, man sähe sie heute gar nicht und selbst die düstere Wand des Mönchsberges hängt weniger drohend, unwirklicher, einem riesigen, weißgetupften, von unsichtbarer Hand ständig bewegten Vorhang gleich, abgerückt hinter den Häusern der Gstättengasse.

Mählich runden sich die Giebel und Simse unter den kühlen Daunen und nur was im leichtsinnigen Flockenreigen über der Salzach niedertänzelt, wird von den frostig grünen Wellen verschlungen.

Die steinernen Heiligen auf den Türmen der Kollegienkirche tragen Pelerinen von glitzerndem Hermelin und lächeln – Mittler zwischen Himmel und Erde – abgeklärt und wissend auf die geduckt hineilenden Menschen nieder, die, den Blick nach innen gekehrt, heimzu eilen, ihr Weihnachtswunder zu erleben.

Unter den Dombögen, wo, von flackernden Ölfunsen spärlich beleuchtet, die letzten Herrlichkeiten des Christkindelmarktes feilgeboten werden, tappen die Verkäufer frierend von einem Fuß auf den anderen. Nicht einmal das Gluthäferl unter dem Schemel will heute genügen gegen die beißende Kälte.

„Komm schon endlich, Wolferl, komm! Wir haben’s eilig!” „Ja, Frau Mutter! Nur noch den Lebkuchenreiter schau sie sich an! Den möcht’ ich! Und das Zuckerkringel auch und das kleine Engerl dort aus Watte.” „Ja, ja, ich seh’ schon alles, aber komm nur! Vater will noch einmal mit euch proben!” „Mhm … aber, Frau Mutter, schau sie nur noch ein einziges Mal! Der kleine Wagen dort mit den Bierfässern, der wär’ etwas! Und zwei Schnecken voran – sehen genau aus wie die vom Stieglkeller!”

Auf den Zehenspitzen stehen, mit den kleinen Händen den Rand des Schaubudentisches umklammernd, lässt das Kind die unersättlichen Augen von Herrlichkeit zu Herrlichkeit schweifen. Alles erscheint gleich lockend und werbend, in seiner Einfalt und Farbenpracht dazu geschaffen, ein kleines Herz mit Seligkeit zu erfüllen.

Ungeduldig erfasst die Mutter die Hand des Kindes. „Jetzt aber vorwärts, Wolferl! Es ist gleich drei! Vater…” Sie kommt nicht weiter. Ein Jubelschrei erstickt alle Einwände der Vernunft. „Mutter! Jetzt schau sie aber hin! Sieht sie hin? Dort! Ein Kürassier! Die roten Hosen, schau sie an! Und schau, einen richtigen Säbel hat er und wirkliche Sporen! Und das Pferd erst, ein Rappe ist’s; er hat rotes Zaumzeug! Wenn ich den Kürassier herunternehmen tät’, könnt ich selber ein bißl aufsitzen. Das Roß ist stark genug. In unserem langen Gang vor der Küchentür könnt’ ich reiten. Den möchte’ ich! Den wünsch’ ich mir ! Meint sie, bringt mir den das Christkindl?”

„Nein, Wolferl”, den schweren Weihnachtsstollen vom Brotmarkt unter der Rechten, zieht die Mutter mit der Linken den Bub mit sich fort. „Und warum nicht?” „Weil du ein unartiger Bub bist, der seiner Mutter nicht folgt und den Herrn Vater beim Adagio jedes Mal wütend macht!”

„Weil’s mir nicht gefällt, wie der Herr Vater das Adagio spielen will!” „Ob es dir gefällt, fragt niemand, Wolfgang. Den Eltern muss man folgen!” „Und wenn ich das Adagio spiel’, wie’s der Herr Vater haben möchte, meint sie, bringt’s mir dann meinen Kürassier?” Die Mutter zuckt mit den Achseln: „Ich weiß es nicht!”

Daheim wartet Schwester Nannerl schon ein wenig aufgeregt am Spinett. „Schnell setz dich her, Wolferl! Um sechs müssen wir beim Herrn Erzbischof sein. Fünfzig arme Kinder kommen hin zur Christbescherung und viele hohe Herrschaften auch – da dürfen wir nicht patzen!”

Solange der Wolferl nur die Noten herunterspielt, klappt’s schlecht bei der Probe. Es galoppiert ihm in einemfort ein feuerroter Reiter über die fünf Linien, salutierend und winkend. „Kindisches Geklimper!” höhnt der gestreng Vater. Aber allmählich wandeln sich die schwarzen Notenköpfe zu Tönen, kehren gleichmäßig ihre Seelen nach außen, reichen einander die Hände und tanzen, sich ineinander verschlingend, als lebendige Melodien durch den Raum. Der Vater ist nicht zufrieden. Erst beim Adagio fasst er den Taktstock fester und stellt sich zum Wolferl hinüber. Aber es droht keine Gefahr heute, auch wenn der Wolferl noch nicht gewusst hätte, wie hart der Taktstock ist.

Vom Spinett weg nimmt die Mutter ihre Kinder in Empfang. Zwanzig Fingernägel sind zu säubern, zwei Lockenperücken zu ordnen und zu pudern, die Spitzenjabots, die seidenen Röcke und Hosen, die Lackschuhe zu richten. Sie tummeln sich in eine richtige Aufregung hinein, bis Vater Mozart, den Kindern voran, gewichtigen Schrittes die Stiege nach der Getreidegasse hinunterschreitet. Zum Abschied zieht Wolferl Mutters Kopf zu sich herunter und flüstert hinter den Rand der mächtigen Haube hinein: „Meint sie, bringt’s mir jetzt meinen Kürassier?” „Nein, mein Kind, das Christkindl hat kein Geld mehr!” …!

Ein wenig klopfenden Herzens hängt Nannerl auf der verschneiten Straße an Vaters Arm. Wolferl geht hinter ihnen her, weil, wie er sagt, der Pfad nicht breiter ausgetreten sei und er auf seine Schuhe achten müsse.

Auf dem alten Markt sieht sich der Herr Vater einmal ahnungsvoll um. Der Bub treibt mit Händen und Füßen eine stattliche Schneekugel vor sich her, erhitzt und keuchend. „Lausbub! Schau deine weißen Strümpfe an! Und die roten Finger! Wie willst mit denen Klavierspielen?” Erbarmungslos schwebt die flackernde Laterne des Vaters über dem derangierten armen Sünder. Schnell noch ein Putzen und Reiben – dann umfangt sie warmer Kerzenschimmer in den tannengeschmückten Sälen der fürsterzbischöflichen Residenz.

Außer der hohen Geistlichkeit und den weltlichen Würdenträgern, die einen Teil der goldgeschnitzten Barockstühle besetzt halten, lugen auch die Gesichter der Armut auf dünnen, neugierig gereckten Hälsen nach vorn. Dass sie ihren Wohltätern dankbar sein sollen, sagt man ihnen, aber es interessiert sie wenig. Viel hübscher schon sind die Gedichte und Lieder – von ihresgleichen artig und mit Eifer vorgetragen. Dann endlich spielen die zwei aus dem Märchenland: In hellblauem Samt und rosiger Seide sitzen wie Prinzessin und Prinz am Spinett, in zierlichem Anschlag mit dem kindlichen Fingern wippend und im Takt ein wenig auf den brokatbezogenen Stühlen hopsend.

Vater Mozart tippt kaum mit dem Fuß auf das blanke Parkett – es ist alles in Ordnung … bis zum Adagio. Da reitet dem Wolferl ein rotbehoster Kürassier über das Notenblatt: Wenn ich recht, recht schön spiel’, am End’ kratzt es dann doch noch seine letzten Kreuzer zusammen, das Christkind! Und dann tut er’s. Er spielt recht schön!

Nannerl merkt sofort, wie der Bruder zu schleppen beginnt. „Mistbub!” zischt der Herr Vater leise über die Tastatur hin und Nannerl sucht hilfeflehend im unruhigen Kerzenlicht seinen Blick. Erschrocken sieht sie in das gerötete Antlitz des Gestrengen mit den bebenden Nasenflügeln und den drohend gesenkten Brauen.

Nur Wolferl schaut nicht hin. Er ist erfüllt von seinem Spiel. Schön soll es sein, damit es dem Christkindl auch gefalle. Nannerl ist die Ältere und Gescheitere und gibt nach. Nur nicht aufhören, nichts merken lassen, dem Vater helfen! Sie weiß schon, dass er als Kapellmeister fürsterzbischöfliches Brot verdient.

Die geistlichen und weltlichen Würdenträger auf den Ehrenplätzen legen lauschend die markanten Köpfe nach links und nach rechts, fassen mit den blassen, wohlgepflegten Händen nach Wangen und Kinn oder verschränken lächelnd die Arme über den stattlichen Leibern und ihre Augen ruhen wohlgefällig auf der gottbegnadeten Jugend da vorn. Selbst der Herr Erzbischof hat, da sie fertig sind, ein Lächeln und ein Lob für den kleinen Künstler bereit. Auch dem verärgerten Vater Leopold reicht er wohlwollend die Hand; „Er hat seine Sache gut gemacht, Mozart, ich danke ihm!”

Von den Domherrn einer, ein wohlgenährter, gemächlicher Mann mit lustigen Äuglein, kommt auf den kleinen Wolfer! zu: „Das hast du sauber gespielt, Bübel, das Adagio! Hab’ noch nie so innig gehört. Hast wohl einen argen Respekt vor dem Herrn Erzbischof?”

„Wegen dem hab’ ich ja nicht so schön g’spielt!” sagt der Bub treuherzig.

Die roten Knöpfe über dem Bäuchlein des geistlichen Herrn beginnen zu hüpfen vor Vergnügen. „So, so! Ja, weswegen denn?”

Da steigt ein ellenlanger Seufzer aus Wolferls Spitzenhemd hervor – und dann erzählt er seinen ganzen Weihnachtskummer um den rotbehosten Kürassier. „Na, da werden wir halt dem Christkind ein bissl helfen !” und geheimnisvoll lächelnd holt der Gute mit dicken Fingern einen Golddukaten aus seinem Lederbeutelchen und legt ihn ins Fenster, durch das die Weihnacht geheimnisvoll hereindunkelt.

„Ob das noch helfen kann?” geht es dem Wolferl durch den Kopf. Daheim öffnet er klopfenden Herzens die Tür zur guten Stube. Die Weihnachtskerzen zeichnen, wie alljährlich, warme Kreise an die Zimmerdecke. Neben jedem Gedeck steht – wie alljährlich, ein Teller mit Lebkuchen, mit Äpfeln und Nüssen und für Wolfgang sind noch ein Paar warme Handschuhe da und für die anderen Strümpfe und Schnupftücher. Vater spielt die Weihnachtsmusik und dann sitzen sie grübelnd um den Tisch – jeder hängt seinen Gedanken nach.

„Aus dem Buben kann ja nichts werden”, prophezeite Vater Mozart besorgt. „Er kann nicht folgen, nimmt nichts an!”

Der Sohn lässt den Gestrengen ruhig wettern. Er hat seine besonderen Ohren, der Wolferl. „Es ist wer im Flur, Frau Mutter!” flüstert er jäh erbleichend. „Ich hab’s rascheln gehört!” Aus den zarten Kinderhänden zittern Messer und Gabel auf den Teller nieder.

Mutter greift nach dem Leuchter, öffnet die Tür: Da steht er, rotbehost mit goldenem Säbel und salutiert auf seinem starken Rappen zum Wolferl hin.

Ein Kinderherz ist voll von Weihnachtsseligkeit.

„Sieh er, Herr Vater, dem Christkindl hat’s doch gefallen, das Adagio!” triumphierte der Sohn.

Ja, dem Christkindl hat es gefallen. Weil es ein Geist war von seinem Geiste, was der Wolferl in das Adagio hineingespielt hat. Wir Menschen brauchen ja gewöhnlich ein bisschen länger, das Göttliche an den Begnadeten unter uns zu begreifen.

Stillere Weihnchat: Weihnachtserzählungen und Gedichte österreichischer Autoren.

Steyr: Ennsthaler, 2000
 
Karolins Schutzengel

»Karolin, kommst du? Wir wollen jetzt los!« Karolin hörte, wie ihre Eltern sich unten im Flur die Mäntel anzogen.

»Ich hab keine Lust«, maulte sie leise und schaute aus dem Fenster. Draußen nieselte es. Trotz der Festbeleuchtung wirkten die Straßen trist und düster. »Tolles Weihnachtswetter!«, murmelte sie vor sich hin. »Genau richtig für einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt.«

»Karolin…!«, rief ihr Vater, diesmal etwas lauter. »Was ist bloß in letzter Zeit mit dem Kind los. In fünf Tagen ist Weihnachten, da war sie doch sonst immer so aufgeregt.«

Karolin seufzte. Bisher hatte sie die Vorweihnachtszeit ja auch immer sehr schön gefunden, doch in diesem Jahr war alles anders. Es war das erste Jahr ohne Opa. Karolin fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. O nein, bloß nicht wieder heulen, dachte sie und schluckte den dicken Kloß hinunter, der ihr plötzlich im Hals steckte.

»Karolin, wo bleibst du denn?« Ihre Eltern wurden langsam ungeduldig.

»Ja, ja!» Hastig wischte sich Karolin mit dem Handrücken über die Augen. »Ich komme gleich!«

Als Opa noch lebte, war ihr das Wetter immer egal gewesen. Gemeinsam waren sie auch im Winter durch die umliegenden Wälder gestreift, hatten Tiere beobachtet und so manches Abenteuer erlebt. Opa war ihr bester Freund gewesen. Auf ihn hatte sie sich immer verlassen können. Ach Opa! Karolin fühlte, wie sich nun doch eine verräterische Träne ihre Wange hinunterschlich.

»Karolin, wir wollen endlich los!« Erschrocken fuhr sie herum. Ihre Mutter stand direkt hinter ihr. Karolin hatte sie gar nicht kommen hören. »Kind, du weinst ja.« Sanft nahm sie Karolin in den Arm. »Er fehlt dir, nicht wahr?«

»Ist schon okay, ich komm jetzt runter.« Karolin schälte sich aus der Umarmung und sprang eilig die Treppe hinunter. Unten durchwühlte ihr Vater gerade seinen Aktenkoffer. »Hast du vielleicht die Autoschlüssel gesehen?«, fragte er, doch Karolin antwortete nicht. Missmutig nahm sie ihre Steppjacke vom Haken und zog ihre schwarzen Stiefel an. Jetzt noch den grauen Boa-Schal und die silberne Pailettentasche – fertig!

»An die Mode werde ich mich wohl nie gewöhnen«, sagte ihr Vater mit einem Seitenblick auf Karolins Outfit. »Oh, jetzt hab ich ihn.« Schmunzelnd fischte er den Autoschlüssel aus dem Schirmständer. »Da kann ich ja lange suchen.«

»Jetzt aber los, sonst verpassen wir noch das Bläserkonzert auf dem Domplatz.« Karolins Mutter hatte schon die Türklinke in der Hand. Ein Bläserkonzert! Karolin rollte mit den Augen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.

In der Innenstadt schoben sich die Menschen dicht gedrängt durch die weihnachtlich geschmückten Einkaufsstraßen. Karolin und ihre Eltern ließen sich einfach von der Menge bis zum Weihnachtsmarkt mitschieben. Hier warteten schon viele Besucher auf den Beginn des Konzertes. Karolin schüttelte den Kopf. »Ich schau mich lieber ein wenig um«, sagte sie in der Hoffnung, dass während des Konzertes auf dem Markt nicht so viel los war.

»Gut, sei aber in einer Stunde wieder hier und bleib auf dem Markt.«

Typisch Mama, machte sich mal wieder viel zu viele Sorgen. »Mit elf bin ich doch kein Baby mehr.« Karolin seufzte und stapfte los. Zwischen den Buden war es tatsächlich etwas leerer, Es gab viele Stände mit Punsch und Bratwurst, mit Kerzen und Schmuck. Auch ein altmodisches Kinderkarussell, ein Tannenbaum-Verkäufer und ein Weihnachtsmann waren da.

Die verkleideten Männer sind doch wirklich nur was für Kinder, dachte Karolin lustlos und ging weiter. Plötzlich tauchte vor ihr zwischen den Köpfen der Marktbesucher etwas Vertrautes auf. Die Mütze! Das war doch…?! Karolin schlug das Herz bis zum Hals. Da! Da war sie schon wieder. Eine dunkelblaue Schiffermütze und diesmal konnte Karolin auch die dazugehörige Jacke erkennen. Eine dunkelgrüne Jacke mit blauer Kapuze. Opa!, schoss es ihr durch den Kopf. Und obwohl sie wusste, dass es gar nicht sein konnte, beschleunigte sie ihre Schritte.

Doch kaum hatte sie etwas aufgeholt, da drängte sich eine Frau mit einem Kinderwagen vor ihr in den Gang. Karolin hastete an ihr vorbei. Dabei rempelte sie versehentlich den Kinderwagen an. Das Baby begann zu schreien. »Kannst du nicht aufpassen«, schimpfte die Frau und sah ihr böse nach. Karolin murmelte eine Entschuldigung, hielt aber nicht an. Sie hatte nur Augen für die blaue Schiffermütze, doch die war plötzlich verschwunden.

Ratlos blieb Karolin stehen und blickte sich um. Bitte nicht weggehen, dachte sie verzweifelt. Vor Aufregung wurde ihr ganz heiß. Ihre Wangen glühten.

»Na Kleine, hast wohl zu viel Kinderglühwein getrunken.«

Karolin bemerkte zunächst gar nicht, dass die beiden etwa fünfzehnjährigen Jungen mit ihr sprachen. »He, du hörst wohl schlecht!«

Die beiden Jungen kamen näher. Vorsichtshalber wich Karolin ein paar Schritte zurück. »Echt coole Tasche, die du da umhast. Lass doch mal sehen, wie viel Taschengeld dir deine Mama für uns mitgegeben hat.« Der Größere der beiden Jungen griff nach ihrer Tasche.

»Nein«, schrie Karolin, drehte sich um und rannte los, die Jungen hinterher. Karolin hörte ihre Schritte hinter sich auf dem Asphalt. Sie bog ab, schlüpfte durch eine Lücke zwischen den Buden und lief weiter. Und plötzlich war der Weg zu Ende. Eine Sackgasse! Karolin sah sich ängstlich um, aber es gab keinen Ausweg. Sie saß in der Falle. Schon hatten die Jungen sie eingeholt.

»Pech gehabt, Kleine«, grinste der Größere. »Wenn du hier wieder raus möchtest, wirst du wohl bezahlen müssen.« Karolins Herz raste vor Angst und ihre Hand umklammerte krampfhaft die Pailettentasche.

»Gib schon her oder sollen wir sie uns holen?« Die Jungen kamen langsam näher. Karolin wollte um Hilfe rufen, aber die Angst schnürte ihr die Kehle zu. »Na gut, du hast es nicht anders… He! Was soll das?«

Hinter den Jungen stand ein Mann und hielt sie an den Kapuzen ihrer Jacken fest. Karolin traute ihren Augen nicht – der Mann trug eine Schiffermütze und eine dunkelgrüne Jacke. »Lasst das Mädchen in Ruhe«, hörte sie ihn sagen »sonst könnt ihr was erleben. Habt ihr denn nichts Besseres zu tun als elfjährigen Mädchen das Taschengeld zu stehlen?«

Die beiden Jungen sahen sich entsetzt an. Hastig befreiten sie sich aus dem Griff des Mannes und liefen davon.

Karolin bekam vor Aufregung kaum Luft. Der dunkle Klang der Stimme war ihr seltsam vertraut. »Ist dir auch nichts passiert?«, fragte der Mann besorgt.

»Nein…, alles… okay…«, stammelte sie und versuchte, das Gesicht des Mannes zu erkennen. Doch hier hinter den Buden war es einfach zu dunkel.

»Gut, dann lass uns jetzt lieber zurückgehen.« Der Mann begleitete Karolin zwischen den Buden hindurch. Aber als sie wieder auf dem Markt stand und sich umdrehte, war er verschwunden. Ratlos sah Karolin sich um. Sollte sie ihn suchen? Sie hatte sich doch noch gar nicht richtig bedankt. Und dann fiel ihr etwas auf. Wie hatte der Mann sie überhaupt entdeckt? Und woher wusste er, dass sie elf Jahre alt war?

Der Bläserchor spielte gerade Stille Nacht, heilige Nacht, das Konzert ging dem Ende zu. Karolin überlegte fieberhaft und dann: Ja! Ja, natürlich…! So musste es sein…! Auf einmal war sie sich ganz sicher.

»Fröhliche Weihnachten.« Karolin erschrak. Neben ihr stand der verkleidete Weihnachtsmann und hielt ihr einen mit Süßigkeiten gefüllten Beutel entgegen. »Na, hör mal, du siehst mich ja an, als hättest du gerade ein Gespenst gesehen«, sagte er, als er ihren erschrockenen Blick bemerkte.

«Nein«, entgegnete Karolin langsam und ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, »ein Gespenst nicht gerade – nur meinen Schutzengel!«

Sabine Streufert

Brita Groiß; Gudrun Likar: Weihnachten ganz Wunderbar: ein literarischer Adventskalender.
Wien: Ueberreuter, 2001
 
Lasse will nicht aufräumen

»Komm mal bitte!«, ruft Mama. Warum klingt sie denn so sauer? Als Lasse seine Tür öffnet, schimpft sie: »Überall im Flur liegt euer Spielzeug rum! Räum das bitte sofort auf. Nachher kommt Besuch.« Lasse guckt. Stimmt. Im Flur liegen viele Spielsachen. Er sagt: »Die gehören fast alle Sina. Dann soll sie die auch wegräumen. Ich gehe jetzt zu Jonas.«

Mama erklärt: »Sina ist bei Rike. Sie kann das nicht wegräumen. Außerdem … die Bilderbücher hier gehören dir. Die Ritterburg auch. Die Comics … das sind deine. Also räum auf!«

»Aber nur, was mir gehört«, sagt Lasse. »Sina soll ihre Sachen selber wegräumen.« Lasse ärgert sich. Es stört ihn schon lange, was er alles für seine kleine Schwester tun soll. Mama ärgert sich auch. Sie sagt: »Der Besuch kommt bald. Und ich muss noch staubsaugen. Du räumst das jetzt weg!«

»Was gehen mich Sinas Sachen an?«, beschwert sich Lasse. Inzwischen ist er richtig wütend. Er findet es ungerecht, dass er allein aufräumen soll. »Und was gehen mich eure Sachen an?«, schimpft Mama. Wenn sie wütend ist, wird sie rot im Gesicht und ziemlich laut. Wie eben. Aber Lasse ist genauso wütend. Auf Mama und Sina. Mama sagt: »Du darfst erst zu Jonas gehen, wenn du aufgeräumt hast. Also … beeil dich!« Dann macht sie die Wohnzimmertür hinter sich zu. Lasse steht allein im Flur. Vor Wut ballt er die Fäuste.

Jetzt tritt er gegen Sinas Bauklötze. Die fliegen durch die Gegend. Als Nächstes will er den Stegosaurus wegkicken. Aber halt! Der gehört ihm. Genau wie das Spielzeugauto und der Bagger.

Beim Aufräumen merkt Lasse, dass fast die Hälfte der Sachen ihm gehört. Die räumt er weg. Jetzt kommt Mama. Sie meint: »Das sieht ja schon besser aus.« Bevor Lasse antworten kann, ist sie verschwunden. Aber da liegen immer noch Spielsachen. Und die gehören alle Sina. Plötzlich hat Lasse eine Idee. Er nimmt eine Kiste. In die packt er Sinas Spielzeug. Die volle Kiste stellt er vor Sinas Tür. Nun kommt Mama wieder. Sie lobt: »Jetzt sieht’s hier aber schön ordentlich aus. Dann sauge ich mal.« rt

Lasse erklärt: »Sinas Sachen sind in der Kiste. Die kann sie später selber wegräumen.«

»Hast recht«, meint Mama. »Dafür ist sie wirklich alt genug.« Nun fragt sie: »Na, bist du noch wütend auf mich?«

Lasse überlegt. Dann antwortet er: »Nee … eigentlich nicht.« Er will wissen: »Und du … bist du noch wütend auf mich?«

Mama schüttelt den Kopf und grinst. »Du weißt ja … ich werde ganz schnell wütend. Ein paar Minuten später kann das schon vorbei sein.«

»Wie bei mir«, sagt Lasse. Seine Mama meint dazu: »Kein Wunder. Schließlich bist du mein Sohn.« Nun gibt sie ihm einen Kuss. Einfach so. Und garantiert nicht aus Wut. Denn aus Wut küsst sie nicht. Das weiß Lasse.

Achim Bröger: Gefühle machen stark.
Geschichten von Mut, Selbstbewusstsein und Versöhnung.

Würzburg: Arena Verlag 2008
 
Der Clown, der nicht mehr lachen konnte


Als plötzlich die anderen lachten und der Clown sich wunderte

„Seltsam“, murmelte der Clown, als er durch die Straßen der Stadt schlenderte. „Die Menschen. Haben sie das Lachen verlernt? Ihre Gesichter sind so griesgrämig und brummig!“
Er klopfte einem Mann, der mit Freunden schimpfend und muffig vor einem Schaufenster stand, auf die Schulter und grinste ihn fröhlich an. „Hey, lach doch mal!“
Die Muffelköpfe aber fanden das Clownsgrinsen gar nicht lustig.
„Unverschämtheit“, empörten sie sich. „Grinsen Sie uns nicht so blöde an!“
Andere Leute, die des Weges kamen, nickten.
„Hier gibt es nichts zu lachen“, sagte jemand und ein anderer meinte:
„Wir sind doch nicht im Zirkus!“
„Lachen ist gesund“, sagte der Clown und grinste.
Überrascht und empört zugleich starrten ihn die Leute an und je länger sie den Clown ansahen, desto höher lifteten sich ihre herabhängenden Mundwinkel. Als sie endlich ihren Weg fortsetzten, lag ein freches Grinsen auf ihren Gesichtern.
Der Clown fand das so lustig, dass er laut loslachen wollte. Aber wie verzaubert blieb sein Gesicht starr, die Mundwinkel zeigten nach unten. Richtig griesgrämig blickte der arme Clown nun drein.
„O je“, murmelte er. „Ich habe mein Lachen verloren. Was nun?“
Während er sich noch wunderte, geschah in den Straßen der Stadt etwas Seltsames. Alle Menschen, die den grinsenden Leuten begegneten, mussten ebenfalls grinsen. Das war so ansteckend, dass bald alle in der Stadt grinsten, lachten – oder zumindest lächelten. Nur der Clown fand sein Lachen nicht wieder und lief mit muffeligem Gesicht durch die Straßen.
„Trübe Tasse!“, sagte ein Junge zu dem Clown und lachte.
„Auch ein Clown darf einmal schlecht gelaunt sein“, grummelte der Clown und sah den Jungen besonders missmutig an. Doch plötzlich gelang es ihm nicht mehr, die Mundwinkel nach unten zu verziehen und griesgrämig zu blicken. Nein, lachen musste er und grinsen, und der Junge grinste zurück.
Was für ein Tag!“, kicherte der Clown. Er wunderte sich zwar noch ein wenig, doch wen interessierte das schon?

© Elke Bräunling
 
Wintertag

Als Lars am Morgen aufwacht und aus dem Fenster schaut traut er seinen Augen kaum. Gestern Abend sahen die Wiese und der große Tannenbaum darauf noch ungemütlich und düster aus, aber heute erstrahlt alles in einem hell leuchtendem Weiß. Es hatte über Nacht geschneit. Und zwar so viel, das man von dem großen Tannenbaum überhaupt keine Äste und Zweige mehr sehen konnte. Alles war verschneit. Darauf hatte Lars schon lange gewartet. So schnell wie an diesem Tag hat er sich wohl noch nie angezogen. Der Frühstückstisch war schon fertig gedeckt und Mami und Papi haben nur noch auf ihn gewartet. Beim Essen erzählte Lars freudestrahlend von seiner Entdeckung im Garten und das nun endlich seinen neuen Schlitten ausprobieren kann. Den Schlitten hat Lars vom Weihnachtsmann bekommen, aber seit Weihnachten war kein Schnee mehr gefallen.
Aber Heute war es nun soweit. Nach dem Frühstück zogen sich alle ihre dicksten Sachen an. Mütze, Schal und Handschuhe dürfen auch nicht fehlen. Dann geht es ab in den Garten.
Lars setzt sich gleich auf seinen neuen Schlitten und Papi und Mami ziehen ihn erst ein paar Runden durch den Garten, um den Tannenbaum und um das ganze Haus. Nun ruft Lars "Zieht mich auf den Hügel! Ich möchte Rodeln." Kaum oben wird der Schlitten in Position gebracht. "Halt dich gut fest." ruft Papi. "Ich schiebe dich an." Und ab geht die Fuhre. Hui! So saust er durch den Garten. Einmal fährt Mami mit und Mal fährt Papi mit. Das machen sie so einige Male. So einen Spaß macht Schlitten fahren, das Lars gar nicht aufhören will. Doch im Winter beißt einem die Kälte manchmal in die Zehen und Finger. Lars sagt seiner Mami Bescheid, dass ihm die Füße und Finger ganz kalt geworden sind. Also schnappen sie sich den Schlitten und gehen wieder ins Haus.
Die Mami weiß genau was jetzt zu tun ist. Sie macht allen ein heißes Fußbad. Dann setzen sie sich in die warme Stube und trinken einen frisch gebrühten Tee.
Lars schaut noch einmal ein wenig wehmütig zum Fenster. Er hat Angst dass der Schnee wieder weg taut. Doch gerade in dem Moment fängt es wieder an zu schneien.
 
Geri
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